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Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse

Titel: Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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schlenderte zwischen den Buden umher. Er sah vieles, das sein Interesse erregte und zahlte gutes Gold für allerlei Tand. Spät am Nachmittag bemerkte er eine große Frau mit hageren Zügen. Ihr blaues Haar trug sie zu einem Knoten gewunden unter einem silbernen Netz. Bekleidet war sie mit einem weißen, schwarz und rot bestickten Heroldsrock. Sie weckte in König Casmir (wie in allen anderen Männern, die sie sahen) ein seltsam erregendes Gefühl: Faszination vermischt mit Abscheu. Es war die Zauberin Desmëi.
    Casmir näherte sich ihr behutsam, als sie an einer Bude haltmachte und mit dem Besitzer, einem alten Spitzbuben, zu schachern begann. Das Haar des Händlers war gelb, seine Haut fahl. Seine Nase war gespalten, und seine Augen waren wie kupferne Kügelchen; Goblinblut floß in seinen Adern. Er hielt ihr eine Feder zur Begutachtung vor. »Diese Feder«, pries er, »ist unerläßlich zur Verrichtung des Tagwerks insofern, als sie unfehlbar jeden Schwindel und Betrug aufdeckt.«
    »Verblüffend!« erwiderte Desmëi gelangweilt.
    »Würdet Ihr sagen, daß dies hier eine gewöhnliche Feder ist, ausgerupft aus dem Kadaver eines toten Blauhähers?«
    »Ja. Einem toten oder sogar einem lebendigen. Das würde ich meinen.«
    »Dann würdet Ihr ebenso schief liegen wie ein Dreifuß mit einem abgebrochenen Bein.«
    »Tatsächlich. Und wie handhabt man diese Wunderfeder?«
    »Nichts könnte einfacher sein. Wann immer Ihr in einem einen Schwindler vermutet oder einen Lügner oder Betrüger, berührt ihn mit dieser Feder. Wenn sie sich gelb färbt, ist Euer Verdacht bestätigt.«
    »Und wenn die Feder blau bleibt?«
    »Dann ist die Person, mit der Ihr es zu tun habt, treu und redlich! Diese hervorragende Feder gehört Euch für sechs Goldkronen.«
    Desmëi ließ ein metallisches Lachen erschallen.
    »Haltet Ihr mich für so leichtgläubig? Es ist fast beleidigend! Offenbar erwartet Ihr, daß ich die Feder an Euch erprobe und Euch, so sie blau bleibt, mein kostbares Geld zahle!«
    »Richtig! Die Feder würde meine Versicherungen durch Beweis erhärten!«
    Desmëi nahm die Feder und hielt sie gegen die gespaltene Nase. Sofort verwandelte sich das Blau in ein leuchtendes Gelb. Desmëi wiederholte ihr verächtliches Lachen. »Nichts anderes, als ich erwartet hatte! Die Feder entlarvt Euch klar als Betrüger!«
    »Ha ha! Tut die Feder nicht genau, wie ich behauptet habe? Wie kann ich da ein Betrüger sein?«
    Desmëi betrachtete stirnrunzelnd die Feder, dann warf sie sie zurück auf den Zahltisch. »Ich habe keine Zeit für Vexierfragen!« Dann stolzierte sie hochmütig von dannen, dem Verkauf einer jungen Harpyie in einem Käfig zuzuschauen.
    Nach einem kurzen Zögern trat Casmir zu ihr. »Ihr seid die Zauberin Desmëi?«
    Desmëi heftete ihre Augen auf ihn. »Und wer seid Ihr?«
    »Ich bin Sir Perdrax, ein fahrender Ritter aus dem Aquitanierland.«
    Desmëi lächelte und nickte. »Und was wünscht Ihr von mir?«
    »Es geht um eine heikle Angelegenheit. Darf ich auf Eure Diskretion zählen?«
    »Bis zu einem gewissen Maße.«
    »Dann will ich offen mit Euch reden. Ich diene König Casmir von Lyonesse, der die Absicht hat, den Thron Evandig an seinen rechtmäßigen Platz zurückzuholen. Zu diesem Zwecke erheischt er Euren Rat.«
    »Der Erzmagier Murgen verbietet solcherlei Einmischung.«
    »Ihr liegt bereits mit Murgen im Zwist. Wie lange wollt Ihr seine Vorschriften noch befolgen?«
    »Nicht auf ewig. Wie würde Casmir mich entlohnen?«
    »Nennt Eure Bedingungen, ich werde sie ihm ausrichten.«
    Desmëi schien plötzlich gereizt. »Richtet Casmir aus, er soll sich persönlich zu meinem Palast in Ys begeben. Dort will ich mit ihm sprechen.«
    Sir Perdrax verbeugte sich, und Desmëi ging davon. Gleich darauf entschwand sie durch den Wald in einem Palankin, der von sechs eilenden Schatten getragen wurde.
     
    Vor seinem Aufbruch nach Ys überlegte König Casmir wohl und lange. Desmëi war dafür berüchtigt, daß man bei einem Handel mit ihr stets draufzahlte.
    Schließlich befahl er, die königliche Galeasse klar zu machen, und an einem strahlenden, windigen Tag segelte er hinaus, vorbei an der Buhne, um das Kap des Wiedersehens herum und sodann nach Ys.
    Casmir landete an der steinernen Mole und ging den Strand hinunter zu Desmëis weißem Palast.
    Casmir fand Desmëi auf einer meerwärts zeigenden Terrasse stehend, an die Balustrade gelehnt, halb im Schatten einer hohen Urne, aus der das Blattwerk eines Erdbeerbaums hing. Ein

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