Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse

Titel: Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
Vom Netzwerk:
Umphred. »Liebste Suldrun, mir blutet das Herz, wenn ich daran denke, wie einsam und verloren du sein mußt. Sag an, wie geht es dir?«
    »Recht gut«, antwortete Suldrun. »Ich liebe die Einsamkeit. Bitte, verweilt nicht um meinetwillen hier.«
    Bruder Umphred ließ ein fröhliches Kichern ertönen. Er setzte sich neben sie. »Ach, liebste Suldrun ...« Er legte seine Hand auf ihre. Suldrun starrte auf die fetten weißen Finger. Sie fühlten sich feucht und übertrieben schmeichelnd an. Sie zog die Hand zurück. Die Finger glitten widerstrebend ab. »... Ich bringe dir nicht nur christliche Erquickung, sondern auch einen mehr menschlichen Trost. Du mußt wissen, daß ich, obzwar Priester, auch ein Mann bin und als solcher für deine Schönheit empfänglich. Willst du diese Freundschaft annehmen?« Umphreds Stimme wurde sanft und salbungsvoll. »Auch wenn mein Gefühl wärmer und tiefer ist als schlichte Freundschaft?« Suldrun lachte gequält. Sie stand auf und deutete zum Tor. »Herr, Ihr habt meine Erlaubnis, zu gehen. Ich hoffe, Ihr werdet nicht wiederkommen.« Sie wandte sich um und stieg hinab in den Garten. Bruder Umphred murmelte eine Verwünschung und trollte sich.
    Suldrun setzte sich neben den Lindenbaum und schaute über das Meer. »Was«, so sprach sie bei sich, »mag aus mir werden? Ich bin, so sagen alle, schön, aber es hat mir nur Unglück gebracht. Warum werde ich bestraft, als hätte ich Unrecht getan? Ich muß mich irgendwie regen; ich muß etwas verändern.«
    Nach dem Abendessen wanderte sie hinunter zu der verfallenen Villa, wo sie am liebsten in klaren Nächten die Sterne betrachtete. In dieser Nacht strahlten sie besonders hell, und sie schienen zu ihr zu sprechen, wie wunderschöne Kinder, die von Geheimnissen übersprudelten ... Sie erhob sich und lauschte. Etwas lag in der Luft, etwas Bedeutsames. Was es war, vermochte sie nicht zu bestimmen.
    Der Nachtwind wurde kühl, Suldrun ging wieder hinauf. In der Kapelle schwelte noch die Glut auf der Feuerstelle. Suldrun entfachte sie, legte trockenes Treibholz nach, und der Raum wurde warm.
    Sie wachte früh am Morgen auf und ging hinaus in die Dämmerung. Das Laub und das Gras waren schwer vom Tau; die Stille hatte etwas Urtümliches. Suldrun ging langsam wie eine Schlafwandlerin durch den Garten hinunter zum Strand. Die Brandung brauste den Kies hinauf. Die aufgehende Sonne färbte die fernen Wolken am Horizont. An der südlichen Biegung des Strandes, dort, wo die Strömung das Treibholz an Land spülte, sah sie einen menschlichen Körper liegen, der mit der Flut hereingeschwemmt worden war. Suldrun hielt inne, dann ging sie auf den Körper zu, langsam, mit zögernden Schritten, entsetzt auf ihn starrend. Ihr Entsetzen schlug rasch in Mitleid um. Welche Tragödie, ein so junger, blasser, schöner Mann, von einem so kalten Tode hingerafft ... Eine Welle spülte über die Beine des jungen Mannes. Seine Finger zuckten krampfhaft, krallten sich in den Kies. Suldrun kniete nieder, zog den Körper aus dem Wasser. Sie strich ihm die nassen Locken aus dem Gesicht. Seine Hände waren blutig, an seinem Kopf klaffte eine Wunde. »Nicht sterben«, flüsterte Suldrun. »Bitte, nicht sterben!«
    Die Augenlider flackerten. Ein Augenpaar, glasig und rotwund vom Meerwasser, blickte sie an, schloß sich wieder.
    Suldrun schleppte den Körper hinauf auf trockenen Sand. Als sie an seiner rechten Schulter zerrte, stöhnte er auf. Suldrun rannte zur Kapelle, kam zurück mit Glut und trockenem Holz und entfachte ein Feuer. Dann rieb sie das kalte Gesicht mit einem Tuch ab. »Bitte, stirb nicht!« sagte sie immer wieder.
    Seine Haut begann warm zu werden. Die Sonne schien über die Klippen und auf den Strand. Aillas schlug erneut die Augen auf und fragte sich, ob er wirklich gestorben war und nun in der Obhut des schönsten aller goldhaarigen Engel durch die Gärten des Paradieses wandelte.
    »Wie fühlst du dich?« fragte Suldrun.
    »Meine Schulter schmerzt.« Aillas bewegte den Arm. Der stechende Schmerz, der seine Schulter durchzuckte, gab ihm die Gewißheit, daß er noch lebte. »An welchem Ort bin ich?«
    »Es ist ein alter Garten nahe bei der Stadt Lyonesse. Ich bin Suldrun.« Sie betastete seine Schulter. »Glaubst du, daß sie gebrochen ist?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Kannst du gehen? Ich kann dich nicht den Hügel hinauftragen.«
    Aillas versuchte aufzustehen, fiel aber wieder hin. Dann versuchte er es noch einmal, wobei Suldrun den Arm um seine Hüfte

Weitere Kostenlose Bücher