Lyonesse 2 - Die grüne Perle
Herbst, am Vorabend des Tages, den sie ›Suaurghille‹ nennen, werden sie die Krähe in Brand setzen und unter ihr eine große Orgie abhalten. Im Innern der Krähe werden zwei Dutzend ihrer Feinde verbrennen. Wenn wir den Fuß auf die Insel setzten, würden wir zusammen mit ihnen den Flammentod finden. Manchmal ist es ein Pferd, manchmal ein Mensch oder ein Bär oder ein Stier.«
An seinem nördlichen Ende wurde der See seicht und zunehmend von Röhricht verstopft, um sich schließlich wieder zu verbreitern und in den Oberlauf des Solander-Flusses überzugehen. Drei Tage später sichtete Aillas voraus die steilen Felsenufer, die die Mündung des Solander flankierten. Zu ihrer Rechten lag das Königreich Dahaut; zur Linken erstreckte sich noch immer Nord-Ulfland.
Die Mündung öffnete sich in die Skyre, und der Kahn hatte es bald mit weit größeren Wellen zu tun, als ihm lieb war, mit weit größeren auch, als es Tatzel lieb war, und der Geruch von Salzwasser hing in der Luft. Der Wind blies nach wie vor frisch von Westen her, und der Kahn stampfte mit vier oder fünf Knoten vorwärts. Die kalte Gischt, die bei jedem Eintauchen in ein Wellental über die Bordwand spritzte, vergrößerte Tatzels Unbehagen noch.
Voraus, zur Linken, am Ende einer steinigen Halbinsel, tauchte die befestigte Stadt Xounges auf; zur Rechten lag jetzt Godelia, das Land der Kelten, und schließlich kam Dun Cruighre in Sicht.
Aillas ließ den Blick über die Hafenanlagen schweifen und entdeckte zu seiner Freude nicht nur eine große troicische Frachtkogge, sondern auch eines seiner neuen Kriegsschiffe.
Aillas steuerte den Kahn längsseits an das Kriegsschiff. Die Seeleute an Deck spähten neugierig nach unten. Einer rief: »Heda, Bursche! Zurück mit dir! Was erlaubst du dir?«
Aillas rief zurück: »Werft mir eine Leiter herunter und ruft den Kapitän!«
Einen Augenblick später flog eine Leiter herunter; Aillas machte den Kahn fest, hielt die Leiter stramm, während Tatzel an Deck kletterte, und folgte ihr nach. Mittlerweile war der Kapitän an Deck erschienen. Aillas nahm ihn beiseite. »Erkennt Ihr mich, Herr?«
Der Kapitän musterte ihn mit forschendem Blick, und seine Augen wurden groß. »Eure Majestät! Was macht ihr hier, und in diesem Zustand?«
»Das ist eine lange Geschichte, die ich Euch bei Gelegenheit erzählen werde. Einstweilen redet mich lediglich mit ›Aillas‹ an, nicht mehr. Ich bin sozusagen inkognito.«
»Ganz wie Ihr wünscht, Herr.«
»Die Dame ist eine Ska; sie steht unter meinem Schutz. Seht, ob Ihr nicht ein Plätzchen für sie finden könnt, wo sie allein sein kann; laßt sie baden, und gebt ihr saubere Kleider; sie ist jetzt seit drei Tagen seekrank und fühlt sich sterbenselend.«
»Sofort, Herr! Und Ihr werdet Euch ebenfalls zurückziehen und erfrischen wollen, denke ich.«
»Wenn es Euch nicht zu große Umstände bereitet, würde ich gerne ein Bad nehmen und meine Kleider wechseln.«
»Selbstverständlich, Herr. Unsere Einrichtungen sind nicht gerade luxuriös, aber sie stehen Euch voll und ganz zur Verfügung.«
»Vielen Dank, aber zunächst einmal: was gibt es Neues aus Süd-Ulfland zu berichten?«
»Ich kann Euch nur aus dritter Hand berichten, aber es heißt, daß eine Ska-Armee, aus Suarach kommend, von einem unserer Heere auf dem freien Land abgefangen und zur Schlacht gestellt wurde. Es entbrannte eine gewaltige Schlacht, an die man sich noch lange erinnern wird. Die Ska wurden hart bedrängt, und schließlich fiel ihnen ein weiteres unserer Heere, das von Westen heranmarschiert kam, in den Rücken, und das Ska-Heer wurde vollständig aufgerieben und vernichtet. Soweit ich unterrichtet bin, ist Suarach wieder eine ulfische Stadt.«
»Und all das geschah in meiner Abwesenheit«, sagte Aillas. »Es scheint, daß ich doch nicht so unentbehrlich bin, wie ich es gerne wäre.«
»Das vermag ich nicht zu sagen, Herr. Wir haben das Enge Meer durchkreuzt und den Ska schwer zugesetzt. Wir sind jetzt bloß hier, um Proviant zu fassen. Tatsächlich waren wir kurz davor abzulegen, als Ihr an Bord kamt.«
»Was ist mit König Gax drüben in Xounges? Ist er noch am Leben?«
»Es heißt, er liege im Sterben, und eine Marionette der Ska solle sein Nachfolger werden; das ist die Nachricht, die wir erhalten haben!«
»Seid so gut und verschiebt Eure Abfahrt, und zeigt mir auch, wo ich mich erfrischen kann.«
Eine halbe Stunde später traf Aillas mit Tatzel in der Kapitänskajüte zusammen. Sie
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