Lyonesse 2 - Die grüne Perle
hatte ihre alten Kleider abgelegt, ein Bad genommen, und trug jetzt ein Kleid aus kastanienbraunem Leinen, das einer der Seeleute in der Zwischenzeit auf dem Hafenmarkt gekauft hatte. Sie ging langsam auf Aillas zu und legte ihm die Hände auf die Schultern. »Aillas, seid so gut und bringt mich nach Xounges und setzt mich dort im Hafen an Land! Mein Vater weilt zur Zeit dort auf einer Sondermission. Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als bei ihm zu sein.« Tatzel studierte Aillas' Gesicht. »Ihr seid eigentlich kein ungefälliger Mann! Ich flehe Euch an, schenkt mir die Freiheit! Ich kann Euch nichts bieten als meinen Körper, den Ihr nicht zu wollen scheint, aber ich würde mich Euch jetzt hingeben, und das mit Freuden, wenn Ihr mich nur nach Xounges bringt und dort an Land setzt! Oder, wenn Ihr mich nicht wollt, wird mein Vater Euch reich belohnen!«
»Was du nicht sagst! Und wie?«
»Als erstes wird er Euch für immer aus der Sklaverei entlassen; Ihr braucht nie wieder zu befürchten, von den Ska gefangengenommen zu werden! Er wird Euch Gold geben, genug, daß Ihr Euch ein Stück Land in Troicinet kaufen könnt und niemals Not zu leiden braucht.«
Als Aillas in ihr trauriges Gesicht sah, konnte er sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. »Tatzel, du bist wirklich höchst überzeugend. Wir werden nach Xounges fahren.«
Kapitel 13
I
Während Aillas mit seiner störrischen Sklavin Tatzel die Wildnis von Nord-Ulfland durchquerte, blieben andernorts auf den Älteren Inseln die Ereignisse nicht stehen.
In der Stadt Lyonesse begutachteten Königin Sollace und ihr spiritueller Berater, Vater Umphred, Entwürfe für die zukünftige Kathedrale, die sich, wie sie hofften, mit ihrer prachtvollen Fassade am Ende des Chale erheben und alle, die sie sahen, in einen Taumel religiöser Verzückung versetzen würde.
Königin Sollace waren, sollte die Kathedrale tatsächlich errichtet werden, von Vater Umphred die Heiligsprechung und ewiger göttlicher Segen zugesichert worden; sein eigener Lohn machte sich dagegen geradezu bescheiden aus; die Erzbischofswürde der Diözese Lyonesse.
In Anbetracht des hartnäckigen Widerstands, den König Casmir dem Projekt nach wie vor entgegenbrachte, war Königin Sollaces Zuversicht ein wenig ins Schwanken geraten. Aber Vater Umphred ließ nichts unversucht, ihre Hoffnung immer wieder neu zu entfachen:»LiebeKönigin,liebeKönigin!Laßt niemals zu, daß die Schatten der Verzweiflung und der Hoffnungslosigkeit die königliche Schönheit Eurer Wangen trüben! Mutlosigkeit? Stoßt dieses häßliche Wort fort von Euch: hinunter, hinunter damit in den widerlichen Morast der Schuld, des Irrglaubens und der Sünde, in dem die Unwissenden dieser Welt sich suhlen!«
Sollace seufzte. »Eure Worte tun gut, aber Tugend allein, selbst wenn sie gepaart ist mit tausend Gebeten und Tränen heiliger Passion, vermag nicht die Seele von König Casmir zu erweichen.«
»Nicht doch, liebe Frau! Ich habe Worte in König Casmirs Ohr zu flüstern, die zwei oder gar vier Kathedralen bedeuten könnten! Sie müssen nur im richtigen Moment geflüstert werden!« Vater Umphreds Ermunterung war nichts Neues; er hatte schon bei anderen Gelegenheiten Andeutungen dieser Art gemacht, und Königin Sollace hatte gelernt, ihre Neugier mit einem Naserümpfen und einem unwilligen Zurückwerfen des Kopfes zu überspielen.
Was Casmir anging, so wollte er keine Verwässerung seiner Autorität. Seine Untertanen frönten einer Vielzahl von Glaubensrichtungen: Zoroastrianismus, ein wenig Christentum, Pantheismus, druidische Doktrin, ein paar Fragmente klassischer römischer Theologie, einige Elemente des gothischen Pandämoniums, und das alles auf einem Substrat aus altem Animismus und Pelasgianischen Mysterien. Ein solches Gemisch aus Religionen kam König Casmir gut zupaß; er wollte nichts zu schaffen haben mit einem orthodoxen Glauben, der von Rom gelenkt wurde, und Sollaces beständiges Geschwätz von einer Kathedrale war ihm ein Ärgernis.
Auf Falu Ffail in Avallon saß, die Füße in Vorbereitung der königlichen Pediküre in einen Zuber warmen Seifenwassers getaucht, König Audry und lauschte den Depeschen von nah und fern, vorgetragen von Malrador, dem Unterkämmerer, dem diese undankbare Pflicht oblag.
Besonders bekümmert war König Audry ob der Botschaft von Sir Lavrilan dal Ponzo, der auf König Audrys Geheiß und unter Anwendung einer von zwei von König Audrys Busenfreunden, Sir Arthemus und Sir Gligory,
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