Lyonesse 2 - Die grüne Perle
gehobenen Brauen, dem kurzgeschnittenen silbergrauen Bart und Zügen von distinguierter Erlesenheit.
»Lord Sion-Tansifer aus Porthouse Faming.«
Sion-Tansifer, der älteste unter den Ministern – und sicher auch der schroffste und streitbarste –, stand steif und aufrecht. Sein Fachgebiet war die Militärstrategie, wo sie am konservativsten und orthodoxesten war, und Aillas fand seine Ansichten öfter interessant als nützlich. Sion-Tansifer war aus einem anderen Grund nützlich: Seine Ansichten, oftmals vorgetragen in Form von dogmatischen Geheimplätzen, ärgerten die anderen und lenkten ihre Kritik auf diese Weise von Aillas ab. Sion-Tansifer sah sich dem Ideal der Ritterlichkeit verpflichtet, und so verneigte er sich zuerst vor Prinzessin Glyneth und dann vor Prinz Dhrun und ließ so das Diktat der Rangordnung durch die Galanterie außer Kraft setzen.
»Lord Witherwood von Haus Witherwood.«
Lord Witherwood, ein Edelmann in mittleren Jahren, war bleich und dünn; er hatte hohle Wangen, tiefschwarze Augen und preßte den Mund zusammen, als habe er gewaltige innere Energien im Zaumzu halten. Er war leidenschaftlich in seinen Überzeugungen und duldete keinerlei Orthodoxie, ein Charakterzug, der ihn weder bei Sion-Tansifer noch bei Maloof besonders beliebt sein ließ; der erstere betrachtete ihn als einen engstirnigen Zuchtmeister, der letztere als aufgeplusterte nörgelnde Glucke. Er nahm die Vorstellung mit einem zweifachen flüchtigen Kopfnicken zur Kenntnis und nahm wieder Platz.
»Lord Langlark von Burg Schwarzenberg.«
Wie um Witherwood für sein brüskes Benehmen zu tadeln, erhob Langlark sich gewichtig und verbeugte sich in großartigem Stil nach rechts und nach links. Ein fülliger Edelmann von nicht weiter auffälliger Erscheinung, bereicherte Langlark die Beratungen des Kabinetts nichtsdestoweniger mit Humor, Mäßigung und Vernunft, und Aillas neigte dazu, ihn als seine beste Stütze zu betrachten.
»Lord Foirry von Suanetta.«
Foirry vollführte höflich, wenn auch nachlässig zwei Verneigungen. Er war schmächtig und pflegte die Schultern immer ein wenig hochzuziehen; obgleich er noch nicht so alt wie Maloof war, hatte er einen kahlen Schädel – nur ein Kranz schwarzer Lokken war ihm geblieben. Flinke Kopfbewegungen, hin und her huschende braune Augen sowie eine schmale Hakennase und zynisch gekräuselte Lippen gaben ihm ein Aussehen von bedrohlicher Wachsamkeit. Seine Launen waren wechselhaft, und sein Standpunkt war es gelegentlich auch, denn er betrachtete eine Angelegenheit gern von allen Seiten und hatte die Neigung, mit dem, der sie vorbrachte, zu debattieren, um so die Stärken seines Konzepts auf die Probe zu stellen.
»Sir Tristano ist Euch natürlich schon wohlbekannt. Neben ihm sitzen Sir Catraul von Katalonien und Sir Hassifa von Tingitana.«
Das Bankett begann; anfangs war man still und auf der Hut, und Lord Sion-Tansifer bewahrte eisernes Schweigen. Lord Pirmence unternahm es, erst mit Sir Catraul, dann mit Sir Hassifa ein Gespräch anzuknüpfen – ein Versuch indessen, der ihm nichts einbrachte als ausdruckslose Blicke und verständnisloses Achselzucken, worauf er seine Aufmerksamkeit schließlich anderen Dingen zuwandte.
Glyneth und Dhrun musterten die sechs Minister unterdessen eingehend. Sie stellten fest, daß jeder von ihnen in gewissem Maße auf seinem eigenen Gebiet Spezialist war. Maloof beaufsichtigte das Finanzwesen und beriet den König im Hinblick auf die Erhebung von Steuern, Gebühren, Mieten und Abgaben. Witherwood hatte das Rechtssystem des Landes in eine bestimmte Ordnung zu bringen, regionale Differenzen zu versöhnen und den Gesetzen allgemeine Zustimmung zu verschaffen, bei hohen wie bei niederen Ständen. Sion-Tansifer, ein Überbleibsel aus der Regierung König Granices, befaßte sich mit militärischer Organisation und Fragen der Strategie. Foirry war Fachmann für Schiffbau. Pirmence, der ausgedehnte Reisen von Irland bis Byzanz unternommen hatte, war praktisch Außenminister, während Langlark von Aillas den Auftrag bekommen hatte, zu Domreis eine Universität zu gründen, an der Literatur, Mathematik, Geographie und die verschiedenen Naturwissenschaften gelehrt werden sollten.
Aillas, der die sechs Minister gleichfalls studierte, verspürte ein wunderlich eisiges Empfinden – eine Mischung aus Ratlosigkeit und Verwunderung und sogar ein wenig Grauen. Einer von den sechsen, die hier so friedlich an seiner Tafel saßen, von seinen Speisen aßen
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