Lyonesse 2 - Die grüne Perle
würde die Perle ein gutes Stück weit durch den Verdauungstrakt gewandert sein ...«
Glyneth schlug sich die Hände auf die Ohren. »Das genügt. Du hast bereits mehr erzählt, als ich hören wollte.«
»Mir scheint auch, dieses Thema ist nicht weiter interessant«, bekräftigte Aillas.
»Von mir aus«, sagte Tristano. »Ich wollte nur Glyneths Mitgefühl für die Plagen erwecken, denen ich unterworfen war.«
»Das ist dir gelungen«, bestätigte Glyneth.
Einen Augenblick lang war es still, und Glyneth schaute den Tisch entlang zu Aillas. »Du bist still heute abend. Was bekümmert dich? Staatsangelegenheiten?«
Aillas blickte über das dunkle Wasser. »Miraldra scheint mir tausend Meilen weit weg zu sein. Ach, brauchte ich doch nie zurückzugehen!«
»Vielleicht hast du dir zuviel Verantwortung aufgebürdet.«
»In Anbetracht dessen, daß meine Ratsherren und Minister allesamt ältere Männer sind, die nur darauf warten, mich bei einem Fehler zu ertappen, habe ich keine andere Wahl, als mit Vorsicht zu Werke zu gehen. In Süd-Ulfland herrscht das Chaos, und ich muß für Ordnung sorgen und vielleicht auch irgendwie mit den Ska fertigwerden, es sei denn, sie besserten sich. Und die ganze Zeit über – ja, während wir hier sitzen – brütet Casmir neue Ränke aus.«
»Warum schmiedest du keine Ränke gegen Casmir, bis er aufhört?«
»Wenn das so einfach wäre! Listenreiche Ränke sind Casmirs Spezialität, und als Intrigant kann ich ihn nicht schlagen. Seine Spione sind überall; sie würden meine Ränke kennen, noch ehe ich sie selber ersinne.«
Dhrun grunzte empört. »Können wir die Spione nicht einfach enttarnen und sie alle im Lir ersäufen?«
»Nichts ist jemals einfach. Freilich, enttarnen möchte ich sie wohl, aber dann gedenke ich ihnen das Leben leicht zu machen und sie mit falschen Erkenntnissen in die Irre zu führen. Wenn ich sie alle ersäufe, schickt Casmir eine Schar von Fremden. Also kümmere ich mich um jene, die ich hier habe, und versuche, sie nicht zu beunruhigen.«
»Dieses
Irreführen
scheint mir an sich schon ein gerissener Kniff zu sein«, meinte Glyneth. »Ist es wirksam?«
»Das werde ich wissen, wenn ich die Spione enttarnt habe.«
»Unsere eigenen Spione haben doch sicher auch ein Auge auf Casmir?« fragte Glyneth.
»Nicht so gründlich wie die seinen auf uns. Aber immerhin sind wir ihm nicht rettungslos unterlegen.«
»In gewisser Hinsicht scheint mir das ein interessantes Geschäft zu sein«, meinte Glyneth. »Ich frage mich, ob ich wohl zur Spionin taugen würde.«
»Ohne jeden Zweifel«, antwortete Aillas. »Schöne Mädchen geben ausgezeichnete Spitzel ab. Aber sie müssen ihre Arbeit hingebungsvoll verrichten und das Schlechte mit dem Guten in Kauf nehmen, denn die erlesensten Neuigkeiten wispert man ihnen zumeist im Dunkeln ins Ohr.«
Glyneth schnaufte verächtlich. »Und das sind die Spione, die du die ganze Nacht in die Irre führst und denen du das Leben leicht machst, statt sie am Galgen aufhängen zu lassen!«
»Ha! Soviel Glück habe ich nicht. Casmir ist nicht so entgegenkommend. Er unterwandert lieber einen meiner engen Berater. Es versteht sich übrigens von selbst, daß ihr darüber mit niemandem sprechen dürft.«
»Es muß ein sonderbares Gefühl sein«, sagte Dhrun, »so von Angesicht zu Angesicht zu schauen und sich zu fragen, hinter welchem sich der Spitzel verbirgt.«
»Das kann man wohl sagen.«
»Wie viele Verdächtige sind es?« wollte Tristano wissen.
»Es sind meine sechs erhabenen und untadeligen Minister: Maloof, Langlark, Sion-Tansifer, Pirmence, Foirry und Witherwood. Edelleute allesamt. Man sollte erwarten, daß sie mir so treu ergeben sind wie der Mond der Sonne. Gleichwohl aber ist einer in dem Haufen ein Verräter. Ich sage das nicht ohne Verlegenheit, denn es nagt an meiner Selbstachtung.«
»Und wie willst du ihn erkennen?«
»Ach, wüßte ich das nur!«
Und während die Sterne über dem Himmel zogen, erörterte die Gesellschaft eine Zeitlang allerlei Pläne zur Entdeckung des Verräters. Endlich, als die Kerzen blakend heruntergebrannt waren, erhob man sich gähnend und verfügte sich in die Gemächer und zu Bett.
III
Die Gäste machten sich bereit, nach Domreis zurückzukehren. Glyneth und Dhrun beobachteten die Vorbereitungen mit wachsender Ratlosigkeit; Watershade würde ihnen still und einsam vorkommen, wenn die Gesellschaft erst wieder abgereist wäre. Überdies waren beide hingerissen von dem Geheimnis um
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