Lyonesse 2 - Die grüne Perle
den Spion in hoher Position. So kam es, daß sie sich im letzten Augenblick entschieden, mit nach Domreis zu reiten, und hastig trafen auch sie die nötigen Reisevorbereitungen.
Die Gesellschaft, jetzt fünfköpfig, überquerte den Ceald; an der Grünmannsförde drehten sich alle, wie es Brauch war, noch einmal um und warfen einen letzten Blick auf Watershade. Dann ging es durch das Tal des Rundle hinunter nach dem Hafenstädtchen Hag, wo man im Gasthof
Zur Seekoralle
nächtigte. In aller Frühe ging es weiter; das Zaumzeug der Pferde klirrte laut in der frühmorgendlichen Kühle. Als die ersten roten Strahlen der Sonne ihnen matt auf den Rücken leuchteten, überquerten sie das Nebelkap, und am frühen Nachmittag trafen sie in Domreis ein.
Aillas ließ sich nicht täuschen; er wußte, was Glyneth und Dhrun zum Mitkommen bewogen hatte. So nahm er sie beiseite und ermahnte sie zu äußerster Zurückhaltung. »Dies ist alles andere als ein Spiel für Geistesgegenwart und Kameradschaft! Es stehen Menschenleben auf dem Spiel, und Casmir kümmert es nicht, was aus ihnen wird.«
»Er muß ein sonderbarer, rauher Mann sein«, sagte Dhrun.
»Das ist er in der Tat, und einer seiner Spione beobachtet uns aus nächster Nähe, ganz wie wir etwa den Hühnern zuschauen, wenn sie im Hof ihren Geschäften nachgehen.«
»Dieser Spion ist natürlich ein Verräter«, sagte Glyneth und fuhr ratlos fort: »Aber zu welchem Zweck tut er das, was er tut? Was will er gewinnen?«
»Vielleicht spioniert er aus reiner Lust«, antwortete Aillas. »Vielleicht genießt er die Erregung, die in einem so gefährlichen Spiel liegt. Jedenfalls dürfte er der mißtrauischste Mensch weit und breit sein; kein Seitenblick, kein Wispern werden ihm entgehen. Also seid auf der Hut!«
»Ich denke, du kannst uns vertrauen«, versetzte Dhrun mit Würde. »Wir sind ja nicht von allen guten Geistern verlassen; wir haben nicht die Absicht, uns augenzwinkernd in die Seite zu stoßen oder nach einem kurzen Seitenblick heimlich miteinander zu tuscheln.«
»Das weiß ich wohl«, antwortete Aillas. »Ich bin sogar recht neugierig zu erfahren, was ihr von der Sache haltet.« Und wer weiß? dachte Aillas bei sich. Der eine oder andere konnte wirklich Mißtöne oder Unstimmigkeiten bemerken, die andere übersahen.
Aus diesen Gründen veranstaltete Aillas ein Bankett, zu dem er seine Minister und einige andere einlud. Das Ereignis fand an einem tristen Nachmittag statt, als der Wind von einem harten blauen Himmel herniederwehte. Mit flatternden Gewändern, die Hände an den Hüten, ritten die Würdenträger über die Straße nach Miraldra. In der Eingangshalle begrüßte sie Sir Este, der Seneschall, und führte sie in den kleinsten der Bankettsäle. Hier wurde die Gesellschaft von Aillas, Glyneth und Dhrun erwartet.
Bei diesem informellen Anlaß saßen die Minister in der Reihenfolge ihres Erscheinens am Tisch, drei an jeder Seite, ohne daß auf eine Rangordnung Rücksicht genommen wurde. Außerdem saßen Sir Tristano und zwei Edelleute aus fernen Weltgegenden am Tisch. Der eine der beiden war hochgewachsen und hager und hatte ein verschmitztes Gesicht mit langgestrecktem Kinn. Er nannte sich Sir Catraul von Katalonien, trug fremdartige reiche Gewänder und puderte sich das Gesicht nach Art des aquitanischen Hofes. Dhrun und Glyneth vermochten ihre Heiterkeit kaum zu zügeln, als sie Shimrod in so prächtiger Weise herausgeputzt gewahrten.
Shimrod gegenüber saß Yane; er hatte sich die Haut geschwärzt und das Kinn hinter einem schwarzen Bart und das Haar unter einem Turban verborgen. Er ließ sich mit Sir Hassifa von Tingitana anreden und sprach beinahe kein Wort.
Als die Gäste Platz genommen hatten, erhob sich Aillas. »Ich begrüße heute meinen Vetter, zwei Granden aus fernen Ländern und sechs Herren, die nicht nur meine Ratgeber, sondern auch meine Freunde sind, vertraut und treu! Ich möchte Euch meinem Sohn vorstellen, dem Prinzen Dhrun, und meinem Mündel, Prinzessin Glyneth. Als ersten, aus Dascinet, Lord Maloof von Haus Maul.«
Maloof, ein stämmiger Mann von kleiner Statur, dessen rundes Gesicht von schwarzen Locken und einem kurzen dichten Bart umrahmt war, stand auf. Er verbeugte sich mit einer schwungvollen Geste gegen Glyneth und setzte sich wieder.
»Lord Pirmence von Burg Lutez«, sagte Aillas.
Pirmence erhob und verneigte sich. Er war ein wenig älter als Maloof, schlank und ansehnlich mit seinem silbergrauen Haar, seinen geringschätzig
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