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Lyonesse 2 - Die grüne Perle

Titel: Lyonesse 2 - Die grüne Perle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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und die Sonne versank in einer purpurfarbenen Regenwolkenbank.
    Am Morgen rangen Sonne und Dunkelheit um die Herrschaft über das Land. Gleißende Sonnenstrahlen brachen durch Ritzen in der Wolkendecke, um sofort wieder abgeschnürt und erstickt zu werden. So geschah es bis zum Nachmittag, als schwarze Regenwände vom Meer herannahten.
    Spät am Nachmittag warf sich Shimrod, einem spontanen Impuls gehorchend, einen Umhang um die Schultern und schlenderte, nachdem er noch rasch einen Einkauf auf dem Markt erledigt hatte, den Strand hinunter zu der weißen Villa. Er stieg durch die Treppe hinauf, überquerte die Terrasse und machte sich durch lautes Klopfen an der mit Schnitzwerk verzierten hölzernen Tür bemerkbar.
    Er vernahm keine Antwort und klopfte erneut.
    Schließlich öffnete sich die Tür spaltbreit, und die Dienstmagd steckte den Kopf heraus. »Lady Melancthe empfängt keine Gäste.«
    Shimrod drängte sich hinein. »Ausgezeichnet; dann werden wir nicht von ungebetenen Gästen gestört. Ich werde zum Abendessen bleiben; hier ein paar ausgezeichnete Koteletts. Bratet sie ordentlich mit Kräutern durch und serviert sie mit einem guten Rotwein. Wo ist Melancthe?«
    »Im Salon vor dem Feuer.«
    »Ich finde den Weg schon allein.«
    Die Dienstmagd kehrte mit unsicherer Miene in ihre Küche zurück. Shimrod ging von Raum zu Raum und entdeckte rasch den Salon: ein Gemach mit weißen Wänden und einer Decke mit Eichenholzbalken. Melancthe stand vor dem Feuer und wärmte sich. Als Shimrod den Raum betrat, schaute sie über die Schulter, zog ein verdrießliches Gesicht und wandte den Blick wieder den Flammen zu.
    Shimrod trat zu ihr. Ohne ihn anzuschauen, sagte sie: »Ich wußte, daß Ihr heute abend kommen würdet.«
    Shimrod legte ihr den Arm um die Hüfte, zog sie zu sich heran und küßte sie. Er spürte keine Erwiderung; ebensogut hätte er seinen Handrücken küssen können. »Nun denn – freut Ihr Euch, mich zu sehen?«
    »Nein.«
    »Aber Ihr bebt auch nicht vor Zorn?«
    »Nein.«
    »Ich küßte Euch schon einmal; erinnert Ihr Euch?«
    Melancthe sah ihn an. Shimrod wußte, daß er jetzt eine gut einstudierte Erwiderung zu hören bekommen würde. »Ich erinnere mich so gut wie gar nicht mehr an jene Begebenheit. Tamurello instruierte mich auf das genaueste. Ich sollte Euch alles versprechen und, sofern nötig, auf jede Forderung von Euch eingehen. Das erwies sich als unnötig.«
    »Und die Versprechungen: Sollten sie gebrochen werden?«
    »Sie wurden durch meinen Mund gesprochen, aber es waren Tamurellos Versprechungen. Ihr müßt Euch, was ihre Einhaltung betrifft, an ihn halten.« Melancthe schaute lächelnd ins Feuer.
    Shimrod, der immer noch den Arm um ihre Hüfte liegen hatte, zog sie an sich und barg das Gesicht in ihrem Haar, aber sie löste sich von ihm und setzte sich auf das Liegesofa.
    Shimrod setzte sich neben sie. »Ich bin nicht der klügste Mann auf der Welt, wie Ihr wohl wißt. Doch gibt es immer noch vieles, das ich Euch lehren kann.«
    »Ihr jagt einem Trugbild nach«, erwiderte Melancthe in einem Ton, der fast verächtlich klang.
    »Wie soll ich das verstehen?«
    »Ihr lasset Euch vom Anblick meines Körpers blenden. Wenn Ihr mich anschautet und runzlige welke Haut und eine krumme Nase mit Warzen sähet, wäret Ihr heute abend nicht hier, und wenn Ihr hier wäret, würdet Ihr mich nicht küssen.«
    »Das kann ich freilich nicht ableugnen«, sagte Shimrod. »Gleichwohl bin ich kaum einzigartig. Würdet Ihr in einem solchen Körper leben wollen?«
    »Ich bin an diesen gewöhnt, und ich weiß, daß er schön ist. Doch was in diesem Körper lebt, bin ich – etwas, das wahrscheinlich ganz und gar nicht schön ist.«
    Die Dienstmagd trat in den Raum. »Soll ich das Abendessen hier beim Feuer auftragen?«
    Melancthe wandte sich mit verblüffter Miene zu ihr um. »Ich habe kein Abendessen bestellt.«
    »Dieser Herr dort brachte ein paar feine Koteletts mit und hieß mich sie ordentlich zubereiten, und das sind sie: auf Kräutern geschmort, mit Knoblauch und Zitrone und einem Hauch Thymian; dazu ein Laib frischen Brotes, schöne frische Erbsen, und der gute Rotwein steht zum Trinken bereit.«
    »Nun gut, dann serviere hier.«
    Während des Mahls bemühte sich Shimrod, eine warme, entspannte Atmosphäre zu schaffen, aber Melancthe blieb kühl und unnahbar. Gleich nach dem Essen verkündete sie, sie sei müde und beabsichtige, sich zurückzuziehen.
    »Es regnet«, merkte Shimrod an. »Ich werde über

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