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Lyonesse 2 - Die grüne Perle

Titel: Lyonesse 2 - Die grüne Perle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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ätzendes Aussehen bevorzugt hatte.
    Sie erwiderte schlicht: »Du sagtest zu mir, mein Geist wirke im Widerspruch zum Geist anderer Personen.«
    »Das sagte ich. Besonders zu Personen männlichen Geschlechts. Das ist Desmëis Versuch, sich am Kosmos zu rächen, und besonders an dem Segment mit externen Geschlechtsorganen. Welch ein Witz! Es sind allein solche Unschuldigen wie der arme Shimrod, die der ganzen Wucht von Desmëis Zorn ausgesetzt sind.«
    »Wenn das so ist, dann nimm ihren Fluch von meiner Seele.«
    Der Jüngling-Mann studierte Melancthe mit ernster Aufmerksamkeit. Schließlich sagte er: »Ich fürchte, du ersehnst das Unmögliche.«
    »Aber du hast mir versichert ...«
    Der Jüngling-Mann hob die Hand. »In aller Offenheit, es ermangelt mir an der Fähigkeit; nicht einmal Murgen könnte das.«
    Melancthes schöner Mund sank an den Winkeln herunter. »Ist deine Magie in einem solchen Fall nicht von Nutzen?«
    Der orangefarbenhaarige Jüngling-Mann sprach mit lebhafter Stimme: »Es ist ja gut und schön, Dinge vermittels Magie zu bewirken, aber die eigentliche Arbeit muß letztendlich von irgendeiner intelligenten oder geschickten Agentur getan werden. Bei einer solchen Heilmaßnahme, wie es das Aufheben eines Fluches darstellt, versteht keine Entität, gleich ob Mensch, Sandestin, Halbling, Dämon oder sonstige kraft- und vernunftbegabte Kreatur, all die verzwickten Feinheiten. Deshalb kann es nicht ohne weiteres getan werden.«
    »Aber du hast es mir zugesichert.«
    »Ich sagte, ich würde mein Bestes tun, und das werde ich auch. Hör mir zu, und ich werde deine Probleme beschreiben. Lausch mir sorgfältig; das Thema ist von großer Dichte.«
    »Ich lausche.«
    »Jeder Geist ist ein Kompositum aus mehreren übereinandergelagerten Phasen. Die erste ist wach und gewahr; sie ist Bewußtsein. Die anderen sind nicht minder aktiv, wirken aber größtenteils in der Verborgenheit und abseits vom Lichte kenntnisreicher Aufmerksamkeit.
    Jede Phase bedient sich ihrer eigenen Werkzeuge. Die erste – oder offene – Phase des Geistes benutzt scheinbar die Kräfte der Logik, die Wißbegierde, die Absonderung des Tauglichen vom Widersinnigen, mit einem Zusatz, welcher unter der Bezeichnung ›Humor‹ bekannt ist, sowie eine gewisse projektive Art von Mitgefühl, bekannt als ›Gerechtigkeit‹.
    Die zweite und die dritte und die anderen Phasen sind mit Emotionen und Reflexen befaßt.
    Deine erste Phase scheint mangelhaft ausgeprägt. Die zweite Phase, das Agens emotionaler Deutungen, versucht nun mit großer Mühe und Beschwerlichkeit, diese Funktion auszufüllen. Hier dürfte die Natur deiner Schwäche liegen. Das Heilmittel ist die Stärkung der ersten Phase, durch eine Diät aus Gebrauch und Übung.«
    Melancthe krauste verwirrt die Stirn. »Wie soll ich das üben?«
    »Zwei Methoden empfehlen sich. Ich kann dein Aussehen in das eines Kleinkindes verändern und dich in eine edle Familie einführen, wo du durch normale Entwicklung lernen kannst.«
    »Würde ich meine Erinnerung behalten?«
    »Das stünde dir frei.«
    Melancthe schürzte die Lippen. »Ich will kein Kleinkind sein.«
    »Dann mußt du dich dem Lernen widmen, in der Art eines Studenten: durch Bücher und Studium und Disziplin. Und so wirst du lernen, mit Logik zu denken, anstatt wie bisher in dumpfen Gefühlen zu brüten.«
    Melancthe murmelte: »Das wäre wohl ein Schrecken an Langeweile und Überdruß. Zu studieren, über Büchern zu grübeln, zu denken, alles verstandesmäßig zu betrachten – das sind genau die Gewohnheiten, die ich an Shimrod verhöhnt habe.«
    Der Jüngling-Mann musterte sie ohne großes Interesse. »Triff deine Entscheidung!«
    »Wenn ich gezwungen wäre, aus Büchern zu studieren, würde ich nichts lernen und obendrein noch toll werden. Kannst du nicht eine ausreichend große Menge an Klugheit und Erfahrung und Humor und Mitgefühl in einem kleinen Knoten vereinen und diesen der leeren Stelle in meinem Hirn aufpressen?«
    »Nein!« erwiderte der Jüngling-Mann mit solcher Schärfe, daß Melancthe sich fragte, ob er ihr die ganze Wahrheit sagte. »Fälle deine Entscheidung!«
    »Ich werde nach Ys zurückkehren und es mir überlegen.«
    Tamurello sprach unverzüglich eine Reihe von Silben, so als hätte er auf nichts anderes gewartet. Melancthe wurde emporgewirbelt und hoch durch die Wolken und blendendes Sonnenlicht getragen. Sie erhaschte einen Blick vom Ozean und vom Horizont, und dann spürte sie auch schon den weichen Sand

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