Lyonesse 2 - Die grüne Perle
einiger Mühe ihre alte Funktion wieder her.
Danach rief er Facque erneut zu: »Erwache!«
»Ich bin wach. Ich schlafe nie.«
»Hat Tamurello oder irgendwer sonst hier in Trilda Überwachungsinstrumente oder Vorrichtungen sonstwelcher Art installiert?«
»Ja. Zunächst einmal ist da dieses Weib; es kann durchaus zu dieser Kategorie gerechnet werden. Darüber hinaus hat Tamurello mich beauftragt, ihm über Eure Aktivitäten Bericht zu erstatten, und da ich keine gegenteiligen Instruktionen hatte, war ich ihm gefällig. Drittens hat Tamurello versucht, Eintagsfliegen zum Zweck der Spionage einzusetzen, freilich ohne großen Erfolg.«
»Facque, ich weise dich hiermit ausdrücklich und ohne jede Einschränkung an, künftighin von der Übermittlung von Informationen gleich welcher Art an irgend jemanden außer Murgen oder mich Abstand zu nehmen: insbesondere an Tamurello oder an seine Agenten oder Instrumente, ja selbst an die Luft als solche, da die Möglichkeit besteht, daß sie auf irgendeine Weise aufgefangen und Tamurello zugeleitet werden.«
»Es freut mich, daß Ihr in diesem Punkt Klarheit geschaffen habt«, erwiderte Facque. »Kurz, Tamurello soll keine Informationen gleich welcher Art empfangen.«
»Ganz recht. Und dies schließt sowohl positive als auch negative Informationen ein, ferner den Gebrauch verschlüsselter Stille oder die Manipulation von Geräten jedweder Art oder Zeichen oder musikalische Signale aus welchen Tamurello Informationen gewinnen könnte. Du darfst weder von selbst anfangen noch in irgendeiner Weise Antwort geben, und ich schließe hier alle Typen und Permutationen von Kommunikation ein, die ich aufgezählt habe.«
»Endlich verstehe ich Eure Forderungen«, sagte Facque. »Jetzt ist alles in Ordnung.«
»Nicht ganz«, widersprach Shimrod. »Ich muß entscheiden, wie ich mit Melancthe verfahren muß.«
»Strengt Euch nicht an«, riet Facque. »Es wäre bloße Zeitverschwendung.«
»Wieso?«
»Ihr werdet feststellen, daß die Frau das Grundstück verlassen hat.«
Shimrod stürmte aus dem Arbeitszimmer und schaute überall nach, aber Melancthe war nirgends zu sehen, und Shimrod kehrte trübsinnig in sein Arbeitszimmer zurück.
VII
Tamurello zeigte sich selten in seiner natürlichen Erscheinungsform; aus einer Vielzahl von Gründen, von denen pure Launenhaftigkeit nicht der geringste war, zog er es vor, in exotischer Vermummung aufzutreten.
Heute war er, als er auf einen der Balkons über dem achteckigen Garten von Faroli trat, ein zarter und asketischer Jüngling, ein wenig träge, blaß wie frische Milch, mit orangerotem, überaus feinem, leuchtendem Haar. Eine schmale Nase, dünne Lippen und leuchtende blaue Augen erweckten den Eindruck spiritueller Verzückung, ganz wie von Tamurello beabsichtigt.
Tamurello kam langsam die geschwungene Treppe aus schwarzem Glas zum Garten herab. Am Fuß der Treppe blieb er stehen, dann kam er langsam nach vorn, und schließlich wandte er den Blick auf Melancthe, die abseits im Schatten eines blühenden Akazienbaums stand.
Der Jüngling ging auf Melancthe zu. Sie beobachtete ihn mit bewegungslosem Gesicht; seine ätherische, aber entschiedene Männlichkeit war eine Pose, für die sie keine Zuneigung empfinden konnte.
Tamurello hielt inne, musterte sie von oben bis unten, dann hob er lässig den Finger und wandte sich ab. »Komm!«
Melancthe folgte ihm in einen Salon und nahm steif auf der Mitte eines Sofas Platz. Für sie waren Tamurellos Masken kaum mehr als Hinweise auf seine Laune. Dieser Jüngling-Mann verwirrte Melancthe eher, als daß er sie beunruhigte. Im großen und ganzen war es ihr völlig schnuppe, in welcher Gestalt er sich zeigte, und so zerbrach sie sich auch jetzt nicht weiter den Kopf über Tamurellos wunderliche Vermummung und ihre mögliche Bedeutung. Andere Dinge waren wichtiger.
Wieder musterte Tamurello sie von oben bis unten. »Du scheinst nicht arg mitgenommen.«
»Deine Aufgaben sind erfüllt.«
»Sogar übererfüllt! Ha, hmm, gut so! Nun scheint es, daß ich meinerseits mich deinen Belangen zuwenden muß.
Wie ich mich erinnere, bist du bekümmert, weil du dich nicht bequem in die Wege der Welt einfügen kannst. Dies ist ein berechtigter Grund für Unzufriedenheit. Du willst deshalb, daß ich Veränderungen an der Welt – oder, falls das mißlingt – an dir vornehme.« Die Lippen des Jüngling-Mannes dehnten sich zu einem dünnen Lächeln, und Melancthe dachte, daß Tamurello noch nie zuvor ein so
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