Lyonesse 2 - Die grüne Perle
würden, daß sie für die Ska kämpften. Ferner verbreitete Sir Shalles das Gerücht, Aillas leide an Fallsucht, und seine sexuellen Neigungen seien sowohl grotesk als auch geschmacklos. Überdies wisse er, Sir Shalles, aus bester Quelle, daß König Aillas den Baronen, sobald er sie erst wehrlos gemacht habe, erdrückende Steuerlasten aufzubürden beabsichtige, um ihnen sodann, wenn sie diese Steuern nicht erbringen könnten, ihr Land wegzunehmen.
»Gibt es noch mehr zu berichten?« frug Aillas, als Sir Tristano innehielt, um Atem zu schöpfen.
»Viel mehr! Es ist allgemein bekannt, daß du bereits ganze Schiffsladungen ulfischer Jungfern nach Troicinet schickst, zum Frondienst in den Hafenbordellen.«
Aillas schmunzelte. »Und daß ich den Hundegott Hoonch verehre, ist das auch allgemein bekannt? Und daß ich Oriante vergiftet habe, um König von Süd-Ulfland zu werden?«
Sir Tristano schüttelte den Kopf. »Weder das eine noch das andere – bis jetzt jedenfalls.«
»Wir müssen uns gegen diesen rührigen Sir Shalles zur Wehr setzen.« Aillas dachte für einen Augenblick nach. »Laß allenthalben verkünden, daß mir viel daran liegt, mit Sir Shalles zusammenzutreffen, und daß ich ihm doppelt so viel bezahle wie König Casmir, wenn er das Hinterland von Lyonesse durchstreift und Gerüchte über König Casmir verbreitet. Geh nicht selbst; send Boten mit der Bekanntmachung aus.«
»Ausgezeichnet!« rief Sir Tristano. »Ich werde es unverzüglich veranlassen. Doch nun zu einer anderen Sache: Sagt dir der Name Torqual etwas?«
Aillas sann nach. »Ich glaube nicht. Wer ist das?«
»Nach allem, was ich in Erfahrung bringen konnte, ist er ein Ska-Abtrünniger, der Bandit wurde und in die Hügel flüchtete. Zuletzt, so berichtete man mir, habe er sein Gewerbe in Lyonesse ausgeübt, doch sei er nun wieder zurück und halte sich auf einer geheimen Burg nahe der Grenze zwischen den Ulflanden auf. Dortselbst habe er, so heißt es, eine Bande von üblen Mordgesellen um sich versammelt, mit der er zu Raubzügen nach Süd-Ulfland einfalle. Er habe verkündet, er werde jeden Baron, der sich deiner Herrschaft unterwirft, angreifen, belagern und vernichten. Aus diesem Grunde zögern jene Barone, die nahe der nord-ulfischen Grenze sitzen, mehr als alle anderen, deine Flagge zu hissen. Unterdessen nimmt Torqual in Nord-Ulfland Zuflucht, das du nicht betreten kannst, ohne Gefahr zu laufen, die Ska aufzuscheuchen.«
»Ein hübsches Problem«, murmelte Aillas. »Hast du eine Lösung?«
»Keine, die brauchbar wäre. Du kannst die Grenze nicht befestigen. Du kannst nicht alle Burgen besetzen. Ein Ausfall nach Nord-Ulfland würde Torqual allenfalls belustigen.«
»Das sind auch meine Gedanken. Indes, wenn ich meine Untertanen nicht beschützen kann, werden sie mich nicht als ihren König ernstnehmen.«
»Es bleibt also ein ungelöstes Problem«, stellte Sir Tristano fest. »Ist diese Meinung hilfreich?«
»Irgendwann wird Torqual an Altersschwäche sterben«, sagte Aillas. »Das ist die beste Hoffnung, die uns zur Zeit bleibt.«
II
Die Spannungen über den Hochmooren dauertenfort. Mit schlichter Überzeugung verteidigten die ulfischen Barone die unveränderliche Wirklichkeit der alten Fehden; sie waren weder vergessen noch vergeben. Leidenschaften wurden verhohlen; Vergeltungsmaßnahmen wurden zurückgestellt und in der Schwebe gehalten, während alle gespannt darauf warteten, wer dem jungen König als erster Trotz bieten werde und – mit noch größerer Spannung – wie Aillas auf die Herausforderung reagieren werde.
Die Spannung brach jäh, mit majestätischer, schicksalhafter Unvermeidlichkeit.
Der Missetäter war niemand anderer als der wackere Sir Hune von Dreikiefern. In voller schwerer Herausforderung des Gesetzes lauerte er Sir Dostoy von Stoygaw auf, als Sir Dostoy zu einer morgendlichen Falkenjagd aufs Moor hinausritt. Einer von SirDostoys Söhnen ließ bei dem Überfall sein Leben; ein anderer floh verwundet. Sir Dostoy selbst wurde zu einem Bündel verschnürt und wie ein Sack Mehl über einen Pferderücken geworfen. Sir Hunes Männer schleppten ihn den Molkberg hinauf zur Ziegenschädelschlucht, dann hinunter und über das Schwarzmoor, durch den Wald von Kaugh und über Lammons Wiese zur Burg Dreikiefern. Dort machte Sir Hune seine Drohung wahr und nagelte Sir Dostoy hoch an das Tor des Heuschobers; dies getan, ließ sich Sir Hune sein Abendbrot auftragen und speiste mit Genuß, während Junker des
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