Lyonesse 3 - Madouc
dürfte Zeit genug sein.« Königin Sollace winkte eine ihrer Zofen zu sich. »Sag den Schneiderinnen, sie sollen sich sofort ans Werk machen. Ich bedinge mir nicht nur Hast und lobenswerte Ausführung aus, sondern auch eine Madoucs Alter und Unschuld angemessene Farb- und Stilwahl. Es bedarf keines prunkvollen Putzes aus köstlichen Steinen oder gelbem Gold; solcher Zierat würde an diesem schmächtigen, noch kaum weiblich zu nennenden Mägdelein unbemerkt bleiben.«
»Wie Eure Hoheit befiehlt. Ich schlage vor, daß die Prinzessin gleich mit mir kommt, auf daß die Arbeit schleunigst beginnen kann.«
»Vernünftig und sachdienlich! Madouc, du hast meine Erlaubnis zu gehen.«
6
Die Schneiderinnen holten ihre Stoffe hervor und berieten sich hinsichtlich der Natur und des Umfanges ihres Unternehmens. Madouc, die immer noch Schmerzen wegen Königin Sollaces kränkender Instruktionen litt, lauschte aufmerksam. Schließlich mischte sie sich ein. »Ihr redet für den Wind. Ich will keines von euren fahlen Gelbs oder bläßlichen Graus oder kränklichen Grüns, und ihr müßt euch andere Stile überlegen.«
Hulda, die Oberschneiderin, sprach besorgt: »Wieso, Eure Hoheit? Wir sind angehalten, Kleider zu nähen, die fein und zweckmäßig sind!«
»Ihr seid angehalten, das zu nähen, was ich zu tragen bereit bin; andernfalls ist eure Arbeit verschwendet.«
»Natürlich, Eure Hoheit! Wir wollen doch, daß Ihr Euch glücklich und wohl in Euren Kleidern fühlt!«
»Dann müßt ihr so nähen, wie ich es bestimme. Ich werde auf keinen Fall diese scheußlichen Hosen oder diese farblosen Leibchen anziehen, die euch vorschweben.«
»Ah, Eure Hoheit, aber das sind die Kleider, die Mägdelein Eures Alters jetzt tragen.«
»Das schert mich nicht.«
Hulda seufzte. »Na schön! Wie wünscht Eure Hoheit sich denn zu kleiden?«
Madouc zeigte auf eine Rolle kornblumenblauen Leinens und auf eine andere von weißem Leinen. »Nehmt dies und jenes. Und hier: Was ist das?« Sie zog eine etwas kärgliche Rolle von dunkelrotem Samt aus dem Fach. Das Rot war so dunkel, daß es fast an Schwarz grenzte.
»Dieser Farbton wird ›Schwarze Rose‹ genannt«, sagte Hulda mit mutloser Stimme. »Er ist ganz unpassend für eine Person Eures Alters; zudem ist es kaum mehr als ein Rest.«
Madouc schenkte dem keine Beachtung. »Das ist ein ungemein schöner Stoff. Auch scheint mir, daß er gerade noch hinreicht für ein Kleid in meiner Größe.«
Hulda sagte hastig: »Der Stoff reicht keinesfalls für ein schickliches Mädchenkleid mit solchen Falten, Krausen, Rüschen und Falbeln, wie Stil und Sittsamkeit sie gebieten.«
»Dann fertigt mir ein Gewand ohne diese Verzierungen, da ich von der Farbe entzückt bin.«
Hulda versuchte zu protestieren, aber Madouc wollte nicht hören. Sie wies darauf hin, daß die Zeit drängte, und bestand darauf, daß das Gewand aus schwarzrotem Samt vor allen andern zugeschnitten und genäht werde, und so geschah es denn auch, trotz Huldas Bedenken. »Wirklich, das Material ist mehr als knapp! Das Gewand wird Euren Körper enger umspannen, als Euer Alter es notwendig machen würde.«
»Das mag wohl so sein«, sagte Madouc. »Ich glaube, das Gewand wird großen Liebreiz besitzen, und aus irgendeinem merkwürdigen Grund ist die Farbe in Einklang mit meinem Haar.«
»Ich muß einräumen, daß das Gewand Euch wahrscheinlich gut stehen wird«, sagte Hulda widerwillig. »Wenn auch auf eine etwas frühreife Art.«
Kapitel Zehn
1
Die Sonne ging an einem trüben Himmel auf; vom Lir hereinziehende Wolken verhießen Stürme und Regen für die Reise nach Avallon. Ungeachtet dieser düsteren Aussichten waren König Casmir und Prinz Cassander schon vor dem Morgengrauen losgeritten, um unterwegs der Feste Mael einen Besuch abzustatten. Bei der Burg Ronart Cinquelon, in der Nähe von Tatwillow, wo die Alte Straße auf den Icnield-Pfad traf, würden sie wieder zur Hauptgruppe stoßen und die Reise nach Norden fortsetzen.
Zu gehöriger Zeit stieg Königin Sollace müde und gähnend aus dem Bett. Zum Frühstück verzehrte sie eine Schüssel Haferbrei mit Sahne, ein Dutzend mit Weichkäse gefüllte Datteln und eine stattliche Portion in Milch und Zimt gesottenes Kalbsbries. Während sie speiste, kam Sir Mungo, der Majordomus, um sie zu unterrichten, daß die königlichen Kutschen, die Eskorte sowie das übrige Gefolge auf dem Paradeplatz des Königs zum Abmarsch bereitständen.
Königin Sollace reagierte mit einer
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