Lyonesse 3 - Madouc
Königin Sollace. »Solche Informationen, Eure Hoheit, sind nur für Eure königlichen Ohren geeignet! Sie enthalten Geheimnisse, die das gemeine Volk nicht hören sollte.«
»Bah!« knurrte Sollace. »Lady Tryffyn und Lady Sipple sind altvertraute Busenfreundinnen; sie können kaum als ›gemeines Volk‹ bezeichnet werden! Kylas ist eine getaufte Christin; sie ist an nichts anderem als dem Heiligen Gral selbst interessiert.«
»Das mag ja sein«, sagte Madouc. »Gleichwohl bin ich befangen.«
»Unsinn! Beginne mit deiner Schilderung!«
»Ich traue mich nicht, Eure Hoheit. Wenn Ihr den Wunsch habt, meine Vorsicht voll und ganz zu verstehen, dann kommt mit mir, Ihr und ich selbander, tief in den Wald von Tantrevalles.«
»Allein? Ohne Eskorte? Das ist Wahnsinn!« Sollace zog an der Glockenschnur; die Kutsche hielt an, und ein livrierter Diener sprang herunter und schaute durchs Fenster. »Was wünscht Eure Majestät?«
»Diese Damen werden für eine Weile in einer der anderen Kutschen fahren. Narcissa, Dansy, Kylas; seid so lieb und tut mir für dieses eine Mal den Gefallen. Wie Madouc andeutet, gibt es hier womöglich gewisse Dinge, die nicht zur allgemeinen Verbreitung geeignet sind.«
Widerwillig stiegen die beiden Damen und Fräulein Kylas aus und verfügten sich in eine andere Kutsche. Madouc nahm rasch den Platz gegenüber von Königin Sollace ein, den Lady Sipple geräumt hatte, und der Zug setzte sich wieder in Bewegung. »Nun denn«, sagte Sollace, während sie geräuschvoll auf einer Feige kaute, »du kannst anfangen. Offen gesagt ist es mir auch lieber, deine Schilderung vertraulich zu hören. Und laß mir ja kein Detail aus!«
Madouc sah keinen Grund, irgendeinen Aspekt ihres Abenteuers zu verheimlichen. Sie erzählte die Geschichte so ausführlich, wie sie konnte, und schaffte es, Königin Sollace in Staunen zu versetzen. Am Ende betrachtete sie Madouc fast mit so etwas wie Ehrfurcht. »Erstaunlich! Wenn die Hälfte deines Blutes von Elfen abstammt, verspürst du dann nicht die Sehnsucht, zum Elfenhügel zurückzukehren?«
Madouc schüttelte den Kopf. »Niemals. Wenn ich in der Elfenburg verblieben wäre und Elfenbrot äße und Elfenwein tränke, dann wüchse ich zu einem Wesen heran, das einer Elfe sehr nahekäme, außer daß der Tod mich rascher ereilen würde. Heute haben fast alle Elfen Spuren von menschlichem Blut in den Adern, weshalb man sie auch Halblinge nennt. Mit der Zeit, so heißt es, wird sich die Rasse immer mehr verwässern, und eines Tages wird es keine Elfen mehr geben, und unter den Menschenmännern und Menschenfrauen wird niemand mehr wissen, daß ihre Schrullen und Wunderlichkeiten ihrem elfischen Erbe geschuldet sind. Was mich betrifft, so bin ich zum großen Teil eine Sterbliche, und ich kann mich nicht ändern. Und so werde ich denn leben und sterben, und meine Kinder werden es auch, und bald wird die elfische Abstammung in Vergessenheit geraten.«
»Recht so, und zum höheren Ruhme des Wahren Glaubens!« erklärte Sollace. »Vater Umphred sagt, daß die Bewohner des Waldes von Tantrevalles Teufel und satanische Kobolde sind. Zusammen mit den Ketzern, den Heiden, den Gottesleugnern, den Verstockten und den Götzendienern sind all diese Kreaturen dazu bestimmt, dereinst in den tiefsten Schlünden der Hölle zu schmoren.«
»Ich vermute, daß Vater Umphred hier irrt«, sagte Madouc.
»Unmöglich! Er ist bewandert in allen Bereichen der Gottesgelehrtheit!«
»Es existieren auch noch andere Lehren – und andere gelehrte Männer.«
»Die sind allesamt ketzerisch und falsch«, erklärte Königin Sollace. »Schon die Logik erzwingt diese Überzeugung! Höre! Wo wären die Vorteile für die Anhänger des Wahren Glaubens, wenn alle gleichermaßen der Köstlichkeiten des Jenseits teilhaftig würden? Das hieße, die Großzügigkeit zu weit treiben!«
Madouc konnte nicht umhin, die Logik anzuerkennen, die der Bemerkung innewohnte. »Gleichwie, ich habe das Thema nicht studiert, und meine Ansichten haben wenig Gewicht.«
Als Königin Sollace das Thema endlich zu ihrer Zufriedenheit diskutiert hatte, hielt sie den Zug erneut an und erlaubte Kylas und den Ladies Tryffyn und Sipple, die alle drei etwas verstimmt waren, wieder in die Kutsche zu steigen. Madouc rutschte hinüber an den Rand der Sitzbank. Lady Tryffyn und Kylas nahmen ihre alten Plätze wieder ein, und Lady Sipple ließ sich notgedrungen auf Madoucs ursprünglichen Platz gegenüber von Kylas nieder, zu Madoucs
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