Lyonesse 3 - Madouc
und der Königin einen bemerkenswerten Dienst erwies; er tötete den Oger Throop und erlangte den Heiligen Gral, den er eben erst Ihrer Majestät überreicht hat.
Sie ist außer sich vor Freude. Gemäß Eurer Proklamation hat Sir Pom-Pom sich eine Belohnung verdient.«
König Casmir lächelte süffisant. »Büttel, mindere die Bestrafung um einen Streich auf deren sechs und gestatte dem Burschen die Wiederübernahme seiner Stellung im Stall. Das soll seine Belohnung sein.«
»Komm, Früchtchen!« sprach der Büttel. »Hier entlang!« Er führte Sir Pom-Pom aus dem Saal.
Madouc starrte König Casmir entgeistert an. »Aber Ihr erteiltet mir die volle Genehmigung für das, was ich tat! Ihr hießet mich, einen Begleiter zu nehmen, und ich hatte ihn zuvor immer als solchen genommen.«
König Casmir machte eine heftige Geste mit der geballten rechten Hand. »Genug! Du mußt lernen, die Bedeutung von Worten zu verstehen, statt dich sklavisch an ihre Buchstaben zu klammern. Du suchtest mich zu hintergehen, und das war ein Fehler.«
Madouc schaute Casmir in die Augen und sah neue Bedeutungen und gewann neue Einsichten, die sie zurückschrecken ließen. Doch obwohl sie Casmir jetzt mit jeder Faser ihres Seins haßte, bewahrte sie nach außen hin Gleichmut.
König Casmir sprach: »Du hast also die Identität deines Vaters herausgefunden. Wie heißt er?«
»Er ist ein gewisser Sir Pellinore von Aquitanien, Eure Majestät.«
König Casmir dachte nach. »Sir Pellinore? Der Name kommt mir bekannt vor. Ich habe ihn irgendwo schon einmal gehört; womöglich vor langer Zeit.« Er wandte sich an den Majordomus. »Bringt mir Spargoy, den Herold!«
Wenig später fand sich Spargoy ein, der Oberste Herold. »Ihr wünscht, Herr?«
»Wer ist Sir Pellinore von Aquitanien? Wo ist sein Sitz, und welches sind seine Verbindungen?«
»›Sir Pellinore‹, Majestät? Da muß jemand im Scherz gesprochen haben.«
»Was meint Ihr damit?«
»Sir Pellinore ist ein Geschöpf der Phantasie! Er existiert nur in den romantischen Sagen Aquitaniens, wo er wundersame Taten vollbringt und liebliche Maiden umbuhlt und durch die Welt zieht, um Lindwürmer zu töten und andere gefährliche Abenteuer zu bestehen. Das ist alles.«
König Casmir sah Madouc an. »Nun? Was sagst du jetzt?«
»Nichts«, sagte Madouc. »Darf ich gehen?«
»Geh!«
5
Madouc ging mit langsamen Schritten zu ihren alten Gemächern. Im Türrahmen verharrte sie und schaute nach links und nach rechts auf Gegenstände und Sachen, die ihr einstmals Trost gebracht hatten. Die Zimmer, die sie als groß und luftig in Erinnerung hatte, erschienen ihr als kaum mehr angemessen. Sie rief eine Zofe und trug ihr auf, ein heißes Bad zu bereiten. Mit milder gelber Importseife aus Andalusien schäumte sie sich den Körper und die kupferfarbenen Locken ein; den Schaum spülte sie mit Lavendelwasser ab. Als sie sich ankleiden wollte, stellte sie fest, daß ihre alten Kleider fast alle zu eng geworden waren. Seltsam, dachte Madouc, wie schnell die Zeit doch geht! Sie betrachtete ihre Beine; sie waren immer noch straff und schlank, aber – oder war es nur Einbildung? – sie schauten irgendwie anders aus, als sie sie in Erinnerung hatte; und ihre Brüste waren zumindest wahrnehmbar, sollte sich irgend jemand die Mühe machen, genau hinzuschauen.
Madouc stieß einen fatalistischen Seufzer aus. Die Veränderungen vollzogen sich rascher, als ihr lieb war. Nach einigem Suchen fand sie schließlich ein Kostüm, das ihr noch immer gut paßte: ein weiter Rock aus grobem hellblauen Wollstoff und eine weiße, mit blauen Blumen bestickte Bluse. Sie bürstete die Locken aus und raffte sie im Nacken mit einem blauen Band zusammen. Dann setzte sie sich auf ihren Stuhl und schaute zum Fenster hinaus.
Es gab vieles, worüber sie nachdenken mußte: so viel, daß ihre Gedanken von Ort zu Ort huschten und ihr eine Fülle von Bildern durch den Kopf stürmten, welche gleichwohl niemals so lange verharrten, als daß sie volle Gestalt hätten annehmen können. Sie dachte an Sir Pellinore, an Twisk, an König Casmir in seiner schwarzen Robe und an den armen Sir Pom-Pom mit seinem niedergeschlagenen Gesicht. Hier wandte sie ihren Geist rasch ab, da sie fürchtete, daß ihr übel würde. Zerling – falls er derjenige sein würde, der die Züchtigung vornahm – würde dies gewiß ohne übermäßigen Kraftaufwand tun.
Gedanken schwirrten um den Rand ihres Bewußtseins wie Motten um eine Flamme. Einer dieser
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