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Lyonesse 3 - Madouc

Titel: Lyonesse 3 - Madouc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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jeder von euch das Spiel mit einem einzigen Zug gewinnen könnte.«
    Die Greife inspizierten mißmutig das Schachbrett. »Wie das?« fragte Vus.
    »In deinem Fall bräuchtest du bloß diesen Bezander mit deinem Lumpen schlagen und sodann die Erzpriesterin nach vorn ziehen, so daß sie der Schlange gegenübersteht, und der Sieg wäre dein.«
    »Laß gut sein!« schnaubte Vuwas. »Wie könnte ich gewinnen?«
    »Liegt das nicht klar auf der Hand? Diese Mordicks hier versperren dir den Weg. Du brauchst sie nur mit deinem Geist zu schlagen – so –, und deinen Lumpen steht das Brett offen.«
    »Sehr klug«, sagte Vus, der moosgrün gesprenkelte Greif. »Diese Züge gelten jedoch auf der Welt Pharsad als unzulässig. Außerdem hast du die Figuren mit falschen Namen bezeichnet, und darüber hinaus hast du das Brett in Unordnung gebracht!«
    »Das macht nichts«, sagte Shimrod. »Spielt das Spiel einfach noch einmal von vorn. Jetzt muß ich aber weiter.«
    »Nicht so hastig!« schrie Vuwas. »Da wäre immer noch eine kleine Pflicht zu erledigen!«
    »Wir sind nicht von gestern«, behauptete Vus. »Rüste dich für den Tod.«
    Shimrod stellte die Weidenkörbe auf den Tisch. Vuwas, der dunkelrote Greif, fragte argwöhnisch: »Was ist in den Körben?«
    »Sie enthalten jeder einen Honigkuchen«, sagte Shimrod. »Einer der Kuchen ist etwas größer und schmackhafter als der andere.«
    »Aha!« rief Vus. »Welcher ist welcher?«
    »Ihr müßt die Körbe öffnen«, sagte Shimrod. »Der größere Kuchen ist für den von euch beiden bestimmt, der seiner am würdigsten ist.«
    »Was du nicht sagst!«
    Shimrod schlenderte davon. Einen Moment herrschte Stille hinter ihm, dann erhob sich ein Murmeln, gefolgt von einer scharfen Bemerkung, auf die eine nicht minder scharfe Erwiderung folgte, und dann fielen die beiden Greife unter furchterregendem Schnauben und markerschütterndem Gebrüll übereinander her.
    Shimrod überquerte den Vorhof und stieg drei Stufen zu einer steinernen Vorhalle hinauf. Steinerne Säulen umrahmten einen Alkoven und eine schwere Eisentür, die doppelt so hoch war wie er und breiter, als seine ausgestreckten Arme reichten. Gesichter aus schwarzem Eisen starrten durch Laubgehänge aus eisernen Reben; schwarze Eisenaugen musterten ihn mit höhnischer Neugier. Shimrod berührte einen Knauf; die Tür schwang auf mit dem mahlenden Knirschen von Eisen auf Eisen. Er trat durch die Öffnung und gelangte in eine hohe Eingangshalle. Zur Linken und zur Rechten standen auf breiten Sockeln zwei steinerne Statuen; sie waren beidesamt berobt und mit Kapuzen verhüllt, so daß ihre hageren Gesichter im Schatten blieben. Kein Diener erschien; Shimrod hatte auch keinen erwartet. Murgens Diener blieben zumeist unsichtbar.
    Der Weg war Shimrod vertraut. Er durchmaß die Eingangshalle und trat in einen langen Flur. In regelmäßigen Abständen führten hohe Türen zu Räumen, die mannigfachen Zwecken dienten. Niemand war zu sehen, noch war irgendein Laut zu hören; eine beinah unnatürliche Stille lag über Swer Smod.
    Shimrod schritt ohne Eile den Flur entlang, wobei er in die Räume zu beiden Seiten schaute, um zu sehen, welche Veränderungen seit seinem letzten Besuch stattgefunden hatten. Oft waren die Räume dunkel, und in der Regel waren sie leer. Einige dienten herkömmlichen Zwecken; andere waren für weniger konventionellen Gebrauch bestimmt. In einem dieser Räume entdeckte Shimrod eine große Frau, die mit dem Rücken zur Tür vor einer Staffelei stand. Sie trug ein langes Gewand aus graublauem Leinen; ihr schneeweißes Haar war im Nacken mit einem Band zu einem Schweif gerafft, der ihr über den Rücken hing. Die Staffelei trug eine viereckige hölzerne Tafel, auf deren Oberfläche die Frau vermittels einer Anzahl von Pinseln und Farben aus einem Dutzend irdener Töpfe ein Bildnis schuf.
    Shimrod betrachtete das Bild einen Moment, vermochte aber seine Natur nicht klar zu definieren. Er trat in das Zimmer, um das Bild aus größerer Nähe zu betrachten und so vielleicht ein besseres Verständnis zu erlangen – jedoch ohne großen Erfolg. Die Farben sahen so aus, als seien sie allesamt von demselben tiefen Schwarz, so daß der Frau wenig Spielraum für Kontraste blieb, wie es Shimrod schien. Er trat noch einen Schritt näher heran, dann noch einen. Schließlich konnte er erkennen, daß jede einzelne Farbe in einem ihr eigenen, feinen Glanz pulsierte. Er studierte das Bild; die Formen verschwammen vor seinen Augen; weder

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