Lyonesse 3 - Madouc
heftig, daß ich glaubte, sie würden nie mehr aufhören! Ich versichere Euch, es war eine beängstigende Empfindung!«
Königin Sollace, genüßlich auf ihrer Feige kauend, dachte einen Moment über Lady Desdeas Beschwerde nach. »Merkwürdig. Und du hattest einen solchen Anfall noch nie zuvor?«
»Nimmer! Aber das ist noch nicht alles! Zur nämlichen Zeit glaubte ich zu hören, wie ein leises Geräusch von Ihrer Hoheit ausging! Ein kaum hörbares Zischen!«
»Es könnte ein Ausdruck des Erschreckens oder der Verblüffung gewesen sein«, erwog Königin Sollace.
»So könnte man vermuten. Doch will ich noch einen weiteren Vorfall schildern, der sich gestern früh ereignete, als Prinzessin Madouc ihr Frühstück mit Devonet und Chlodys einnahm. Es wurde wie üblich geneckt und gekichert. Plötzlich geschah etwas Verblüffendes: Devonet hob den Milchkrug, um Milch in ihre Schüssel zu gießen. Doch mit einemmal begann ihre Hand zu zucken, und sie goß sich die Milch über den Hals und die Brust, wobei ihre Zähne klapperten wie Kastagnetten. Schließlich ließ sie den Krug fallen und stürmte aus dem Zimmer. Ich folgte ihr in dem Bestreben, den Grund für ihre seltsamen Konvulsionen zu erfahren. Devonet erklärte, daß die Prinzessin Madouc sie zu diesem Verhalten veranlaßt habe, indem sie ein leises Zischen von sich gegeben habe. Laut Devonet war dem keine wirkliche Provokation von ihrer Seite vorausgegangen. Sie berichtete: ›Ich sagte lediglich, daß es Bastarden, auch wenn sie ihre Blase in silberne Nachttöpfe entleerten, gleichwohl immer noch an dem kostbarsten aller Güter gebräche, nämlich einem feinen Stammbaum!‹ Darauf frug ich: ›Und was geschah dann?‹ ›Und dann‹, antwortete sie, ›griff ich nach dem Milchkrug; ich hob ihn hoch und besudelte mich über und über mit Milch, während Madouc grinsend dasaß und ein zischendes Geräusch machte.‹ So hat es sich zugetragen.«
Königin Sollace lutschte an ihren Fingern, dann wischte sie sie an einem damastenen Mundtuch ab. »Für mich klingt das nach schlichter Unachtsamkeit«, sagte Königin Sollace. »Devonet muß lernen, den Krug fester zu greifen.«
Lady Desdea schnaubte verächtlich. »Und was ist mit Prinzessin Madoucs rätselhaftem Grinsen?«
»Vielleicht war sie belustigt. Ist das nicht möglich?«
»Ja«, sagte Lady Desdea grimmig. »Es ist möglich. Aber nun hört Euch dies an! Zur Strafe verordnete ich Ihrer Hoheit doppelte Lektionen: in Orthographie, Grammatik, Handarbeit und Tanzen; darüber hinaus befahl ich ihr das Studium spezieller Texte in Genealogie und Astronomie sowie in den geometrischen Lehren von Aristarch, Candasces und Euklid. Außerdem hieß ich sie, sich der Lektüre der Werke von Matreo, Orgon Photis, Junifer Algo, Panis, dem Ionier, Dalziel von Avallon, Ovid und noch einem oder zwei anderen zu widmen.«
Königin Sollace schüttelte verwirrt den Kopf. »Ich fand Junifer immer schrecklich langweilig, und aus Euklid wurde ich niemals klug.«
»Ich bin sicher, Eure Majestät waren stets sehr folgsam und eifrig bei Euren Lektionen; dies zeigt sich in Eurer Konversation.«
Sollace wandte den Blick zur Decke und sprach erst, nachdem sie mit Genuß eine weitere Feige vertilgt hatte. »Nun denn: was geschah also bei dieser Lektüre?«
»Ich bevollmächtigte Chlodys, Madouc beim Lesen zu beaufsichtigen, um sicherzustellen, daß sie auch die richtigen Texte studiert. Und wie nun Chlodys heute morgen ein Werk von Dalziel aus dem Regal ziehen will, fühlt sie plötzlich, wie ein Schüttelkrampf sie überkommt, der ihre Zähne klappern macht und sie veranlaßt, das Buch hoch in die Luft zu werfen. Sobald sie sich von dem Schreck erholt hatte, kam sie zu mir gelaufen, um sich zu beklagen. Wenig später brachte ich Prinzessin Madouc zu ihrer Tanzstunde. Die Musikanten stimmten ein hübsches Lied an; Meister Jocelyn erklärte, er werde nun den Schritt vorführen, den die Prinzessin erlernen solle. Statt dessen sprang er sechs Fuß hoch in die Luft und verharrte dort, und derweil zuckte und zappelte er wild mit den Beinen wie ein Derwisch! Als er sich endlich wieder zu Boden senkte, sagte Madouc, sie habe keine Lust, einen solchen Tanzschritt zu probieren. Sie fragte mich, ob ich den Schritt nicht vorführen wolle, aber in ihrem Lächeln war etwas, das mich veranlaßte, dies Ansinnen abzulehnen. Und nun weiß ich nicht mehr ein noch aus.«
Königin Sollace nahm eine weitere Feige von der Zofe entgegen. »Nun soll's genug
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