Lyonesse 3 - Madouc
diesem ›Zischen‹ auf sich?«
»Es ist ein kleiner Kniff, Eure Hoheit – nicht mehr.«
»›Ein kleiner Kniff‹?« zeterte Königin Sollace. »Meine Zähne wackeln und vibrieren noch jetzt! Wenn Ihr Euch erinnert, klagte Lady Desdea in Sarris über ähnliche Vorfälle!«
Casmir blickte mit gerunzelter Stirn auf Madouc herab. »Wo hast du diesen Trick gelernt?«
Madouc sagte mutig: »Majestät, es wäre das beste für alle, wenn wir die Sache als mein privates Geheimnis betrachten.«
Casmir starrte sie verblüfft an. »Wirst du schon wieder frech? Herablassung von einem naseweisen kleinen Balg – das ist unerhört! Ermelgart, bring mir die Rute!«
Madouc versuchte, an ihm vorbei zu schlüpfen und durch die Tür zu entrinnen, aber König Casmir packte sie und legte sie übers Knie. Als sie versuchte zu zischen, hielt er ihr den Mund zu und stopfte ihr ein Taschentuch zwischen die Zähne. Sodann ließ er sich die Rute von Ermelgart übergeben und züchtigte Madouc mit sechs harten, majestätischen Streichen.
König Casmir entließ Madouc aus seinem gestrengen königlichen Griff. Sie erhob sich langsam von des Monarchen Schoß; Tränen der Erniedrigung und der Wut rannen über ihre Wangen. König Casmir fragte in hohntriefendem Ton: »Und was sagst du dazu, Fräulein Schlauberger?«
Madouc hielt sich mit beiden Händen die brennenden Hinterbacken. »Daß ich meine Mutter bitten werde, mich ein paar neue Zauberkünste zu lehren.«
Casmir öffnete den Mund, dann hielt er jählings inne. Nach einem Moment gespannter Stille sagte er: »Deine Mutter ist tot.«
In ihrer rasenden Wut hatte Madouc nur noch eines im Sinn: sich gänzlich und vollkommen von Casmir und Sollace abzusetzen. »Meine Mutter war nicht Suldrun, und das wißt Ihr sehr genau.«
»Was redest du da?« brüllte Casmir. »Haben dir die sechs Streiche noch immer nicht genügt?«
Madouc zog die Nase hoch und beschloß, den Mund zu halten.
Casmir donnerte: »Wenn ich sage, deine Mutter ist tot, dann ist sie tot! Willst du noch eine Tracht Prügel?«
»Meine Mutter ist die Elfe Twisk«, sagte Madouc. »Schlagt mich, so hart und so oft Ihr wollt; es ändert nichts an den Fakten. Und was meinen Vater betrifft, so bleibt er ein Rätsel, und ich habe immer noch keinen Stammbaum.«
»Hm hah«, sagte König Casmir, über dieses und jenes nachdenkend. »Ganz recht. Ein Stammbaum ist etwas das jeder haben sollte.«
»Ich freue mich, daß Ihr mir beipflichtet, trage ich mich doch mit der Absicht, in Bälde meinen eigenen herauszubekommen.«
»Unnötig!« erklärte König Casmir barsch. »Du bist die Prinzessin Madouc, und dein Stammbaum oder sein Fehlen braucht nimmer in Frage gestellt zu werden.«
»Ein feiner langer Stammbaum ist besser als sein Fehlen.«
»Genau.« Casmir blickte herum und stellte fest, daß alle Augen auf ihn gerichtet waren. Er bedeutete Madouc, ihm zu folgen. »Komm!«
König Casmir führte Madouc in sein privates Wohngemach. Er deutete auf das Sofa. »Setz dich!«
Madouc ließ sich zimperlich auf den Kissen nieder, den Blick wachsam auf König Casmir geheftet.
König Casmir begann, im Raum auf und ab zu schreiten. Madoucs Abstammung war irrelevant – solange niemand die wahren Umstände erfuhr. Als Prinzessin konnte Madouc dazu benutzt werden, ein wertvolles Bündnis zu zementieren. Als heimatloser Wechselbalg hingegen war sie in dieser Hinsicht ohne jeden Wert. Casmir blieb jäh stehen. »Du vermutest also, daß Suldrun nicht deine Mutter war?«
»Meine Mutter ist Twisk. Sie lebt und ist eine Elfe.« »Ich will offen zu dir sein«, sagte Casmir. »Wir wußten in der Tat, daß du ein Wechselbalg bist, aber du warst ein so niedlicher Säugling, so drall und fein, daß wir dich nicht weggeben konnten. Wir schlossen dich als ›Prinzessin Madouc‹ in unser Herz. So stehen die Dinge heute. Du genießt all die Privilegien echter königlicher Abkunft – und unterliegt natürlich auch den damit einhergehenden Pflichten.« Casmirs Stimme änderte sich in der Klangfarbe, und er beobachtete Madouc verstohlen. »Es sei denn, natürlich, Suldruns wirklicher Sohn tauchte plötzlich auf und machte sein Geburtsrecht geltend. Was weißt du von ihm?«
Madouc wand sich auf dem Sofa, um das schmerzhafte Brennen in ihren Hinterbacken zu mildern. »Ich fragte nach meinem Stammbaum, doch leider vergebens.«
»Du erfuhrst also nichts vom Schicksal deines Gegenparts – des Wechselbalgs, der Suldruns Sohn wäre und just so alt wie
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