Lyonesse 3 - Madouc
müßt«, sagte Casmir höflich. »Vielleicht reicht die Zeit hin, um ein Turnierspiel zu arrangieren. Ihr und Prinz Dhrun könntet, so Ihr wollt, womöglich gar daran teilnehmen.«
»Ich nicht«, sagte Aillas. »Dieser Sport besteht darin, daß man harte Schläge und Knüffe einsteckt und schließlich vom Roß fällt. Das ist nichts für mich.«
»Und Dhrun?«
»Ich bin weit geschickter im Umgang mit dem Diabolo.«
»Wie ihr wünscht«, sagte König Casmir. »Unsere Zerstreuung wird also ganz zwanglos sein.«
»Das kommt mir sehr zupaß«, sagte Aillas. Wie immer, wenn er mit König Casmir sprach, staunte er über seine eigene Fähigkeit, sich zu verstellen, gab es doch auf der ganzen Welt niemanden, den er mehr haßte als Casmir. »Doch da die Winde uns nun einmal freundlicherweise an Euer Gestade geweht haben, könnten wir vielleicht eine oder zwei Stunden vorteilhaft damit verbringen, über den Lauf der Welt zu diskutieren.«
Casmir willigte ein. »So soll es sein.«
Aillas und Dhrun wurden in Gemächer im Ostturm geleitet, wo sie badeten und die Kleider wechselten. Sodann begaben sie sich zum Diner mit der königlichen Familie. Für diesen Anlaß wählte Casmir den Grünen Palas, so geheißen wegen der Paneele aus grün gebeiztem Weidenholz und des großen graugrünen, rot geblümten Teppichs.
Als Aillas und Dhrun im Grünen Palas eintrafen, war die königliche Familie bereits zugegen. Keine sonstigen Gäste waren geladen; das Diner sollte offensichtlich vollkommen zwanglos sein. König Casmir stand am Kamin, knackte Walnüsse, verzehrte den Inhalt und schleuderte die Schalen ins Feuer. Sollace saß still dabei, würdevoll und statuesk wie immer, die blonden Haarlocken unter ein Perlennetz gerafft. Madouc stand abseits und starrte geistesabwesend ins Feuer. Sie hatte sich in ein dunkelblaues Kleid mit weißer Halskrause hüllen lassen; ein weißes Band hielt ihr Haar, so daß die kupfergoldenen Locken in geordneten Schwüngen fielen und ihr Antlitz vorteilhaft einrahmten. Dame Etarre, die Madoucs Garderobe beaufsichtigte (Madouc verwehrte Lady Vosse den Zugang zu ihren Gemächern), hatte der Königin gemeldet: »Für einmal hat sie sich dazu herabgelassen, sich so zurechtmachen zu lassen, daß sie nicht ausschaut wie eine wilde Range.«
Lady Vosse, die dabeistand, knurrte: »Ihre Launen sind unergründlich.«
»Ich will darüber nicht spekulieren«, sagte Königin Sollace mit einem Naserümpfen. »Danke, Dame Etarre; Ihr könnt gehen.« Dame Etarre verneigte sich und verließ den Raum. Sobald sie zur Tür hinaus war, fuhr Königin Sollace fort: »Bedenkt man ihren höchst zweifelhaften Hintergrund – welchen wir natürlich nicht erörtern dürfen –, kann einen ihre Flatterhaftigkeit kaum überraschen. In der Zwischenzeit müssen wir ihre Schrullen geduldig ertragen.«
Nun, da sie im Grünen Palas saß, unterzog Sollace Madouc einer verstohlenen Musterung. Sie würde niemals eine echte Schönheit sein, dachte Sollace, wenngleich sie zugegebenermaßen einen gewissen Hauch von Frische und flotter Eleganz ausstrahlte. Es war einfach zuwenig von ihr vorhanden an den Stellen, auf die es ankam, und nichts deutete darauf hin, daß sie solche Vorzüge je ihr eigen würde nennen können. Schade, dachte Sollace behaglich. Reife und Fülle waren die ersten und wesentlichsten Ingredienzen wahrer Anmut. Die Männer liebten es, etwas in der Hand zu haben: dies war Königin Sollaces Erfahrung.
Sobald Aillas und Dhrun eintrafen, begab sich die Gesellschaft zu Tisch: König Casmir setzte sich an das eine Ende der Tafel, König Aillas ans andere; Königin Sollace nahm an der einen Seite Platz, Dhrun und Madouc an der andern.
Das Diner war, wie Casmir versprochen hatte, ein vergleichsweise schlichter Imbiß: in Wein pochierter Lachs, Bauerneintopf aus Waldschnepfe, Zwiebeln und Gerste; gekochter Schafskopf mit Petersilie und Johannisbeeren; gebratene Ente gefüllt mit Oliven und Rüben; Hirschkeule in roter Soße. Zum Dessert wurden Käse, gepökelte Zunge, Birnen und Äpfel gereicht.
Madouc saß gedankenverloren bei Tisch; sie nahm lediglich einige wenige Bissen von der Waldschnepfe, einen Schluck Wein und eine Handvoll Trauben vom Tafelaufsatz zu sich. Auf Dhruns Versuche, eine Unterhaltung in Gang zu bringen, reagierte Madouc ohne jede Spontaneität, so daß Dhrun sich schließlich verwirrt fragte: hat ihr Betragen mit meiner Person zu tun, oder ist dies ihr übliches Benehmen in Gegenwart des Königs und der
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