Lyonesse 3 - Madouc
du?«
Mit großer Anstrengung unterdrückte Madouc ein Lachen. Ein Jahr auf dem Elfenhügel entsprach einer erheblich größeren Zeitspanne in der Außenwelt – vielleicht sieben Jahre oder acht oder gar neun; eine exakte Relation vermochte niemand zu nennen. Casmir wußte nichts von diesem Phänomen. »Er bedeutet mir nichts«, sagte Madouc. »Vielleicht haust er noch immer im Elfenhügel. Oder er ist schon tot; der Wald von Tantrevalles ist ein gefährlicher Ort.«
König Casmir fragte in scharfem Ton: »Warum lächelst du?«
»Ich verzog nur das Gesicht wegen der Schmerzen«, sagte Madouc. »Habt Ihr schon vergessen? Ihr verabreichtet mir sechs harte Hiebe. Ich für mein Teil habe sie nicht vergessen.«
Mit verengten Augen fragte König Casmir: »Und was willst du damit sagen?«
Madouc blickte auf und sah ihn mit blauen Unschuldsaugen an. »Ich verwende meine Worte in keiner anderen Bedeutung als jener, die ihnen innewohnt. Ist das nicht die Art, in der auch Ihr sprecht?«
König Casmir zog die Stirn kraus. »Je nun! Laß uns nicht länger über Vergangenes faseln und trauern! Vor dir liegen glückliche Zeiten! Eine Prinzessin von Lyonesse zu sein ist eine hervorragende Sache!«
»Ich hoffe, Ihr werdet dies auch der Lady Vosse verdeutlichen, auf daß sie künftig meinen Befehlen gehorcht – oder besser noch: nach Wildmay von den Vier Türmen zurückkehrt.«
König Casmir räusperte sich. »Was das betrifft – wer weiß? Königin Sollace hat hier vielleicht ein Vorzugsrecht. Ah, nun, harrumf! Natürlich können wir unsere Geheimnisse nicht weit und breit herumplaudern, gar so weit, daß das gemeine Volk davon erfährt. Vorbei wär's mit deinen Aussichten auf eine glänzende Partie! Deshalb werden wir diese Fakten tief in der Dunkelheit des Vergessens vergraben. Ich werde mit Ermelgart, dem Priester und Lady Vosse sprechen; sie werden nicht klatschen. Und du bist wie immer voll und ganz die reizende Prinzessin Madouc, die wir alle so sehr lieben.«
»Mir ist übel«, sagte Madouc. »Ich glaube, ich werde jetzt gehen.« Sie stand auf und ging zur Tür. Dort blieb sie stehen und blickte über die Schulter. König Casmir stand breitbeinig da, die Arme hinter seinem massigen Oberkörper verschränkt, und musterte sie mit brütendem Gesichtsausdruck.
Madouc sagte leise: »Vergeßt bitte nicht: ich will Lady Vosse nicht mehr sehen; sie hat sich als schändlich und untauglich erwiesen.«
König Casmir grunzte bloß: ein Laut, der fast alles bedeuten konnte. Madouc wandte sich um und verließ den Raum.
3
Ein neuer Sommer hielt Einzug, aber in diesem Jahr sollte der Umzug nach Sarris ausfallen. Die Entscheidung war von Staatsangelegenheiten diktiert worden: König Casmir war in ein gefährliches Spiel verwikkelt, welches mit Präzision und Feingefühl gesteuert werden mußte.
Das Spiel war in Gang gesetzt worden durch einen plötzlichen Tumult im Königreich Blaloc. Casmir hoffte, die Ereignisse zu seinem Vorteil manipulieren zu können, so sanft und subtil, daß weder König Au-dry noch König Aillas billigerweise Protest erheben konnten.
Die Schwierigkeiten in Blaloc rührten daher, daß König Milo hinfällig geworden war. Nachdem er sich lange Jahre im Übermaß den Freuden des Zechens hingegeben hatte, war er schließlich an geschwollenen Gelenken, Zipperlein und geschwollener Leber erkrankt und lag jetzt umnachtet darnieder, offensichtlich dem Tode nahe, und gab nur mehr schwache Grunzlaute von sich. Als Nahrung gestatteten die Ärzte ihm nur rohes Ei in Buttermilch geschlagen und dann und wann eine Auster, aber die Diät schien kaum heilsame Wirkung zu zeitigen.
Von den drei Söhnen König Milos war nur der jüngste, Prinz Brezante, noch am Leben und mithin gesetzmäßiger Thronerbe. Brezante gebrach es an Charakterstärke, und aus einer Reihe von Gründen war er bei vielen der Granden unbeliebt. Andere, die König Milo und dem Hause Valeu treu ergeben waren, gewährten Brezante lauwarme Unterstützung. In dem Maße, wie König Milo verfiel, wurden die streitenden Parteien immer fester und starrer in ihrer jeweiligen Haltung, und die Gerüchte von einem drohenden Bürgerkrieg wurden täglich lauter.
König Milos Autorität schwand im gleichen Maße wie seine Gesundheit, und einige Herzöge der äußeren Provinzen regierten ihre Lehen bereits wie unabhängige Monarchen.
Aus diesen heiklen Umständen hoffte Casmir für sich Gewinn herausschlagen zu können. Er inszenierte eine Reihe von kleinen
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