Lyonesse 3 - Madouc
»Macht, was ihr wollt, solange ihr nur die königliche Schatulle nicht beansprucht. Das ist mein unverrückbarer Beschluß.«
»Aber seht Ihr denn nicht? Jede kleine Summe, die jetzt verauslagt wird, wird Euch hundertfach vergolten werden! Und alles zum höheren Ruhm unserer wundervollen Kathedrale!«
»Genau!« rief Vater Umphred in seinem klangvollsten Ton. »Wie immer, liebe Frau, habt Ihr den Nagel auf den Kopf getroffen!«
»Laßt uns zur Kutsche zurückgehen«, sagte König Casmir. »Ich habe alles gesehen, was ich sehen wollte, und noch mehr gehört.«
2
Der Winter nahm seinen Lauf und wich endlich dem Frühling. Eine Reihe von Ereignissen belebte die Periode. Prinz Cassander verwickelte sich in einen schmutzigen Skandal und wurde nach der Feste Mael an der Grenze zu Blaloc geschickt, um in sich zu gehen und über seine Missetaten nachzudenken.
Aus Süd-Ulfland kamen Neuigkeiten von Torqual. Er hatte seine Bande auf einen Raubzug gegen die abgeschiedene und augenscheinlich schutzlose Burg Framm geführt und war dabei in einen von Truppen der ulfischen Wehr gelegten Hinterhalt geraten. In dem Gefecht hatte Torqual den größten Teil seiner Bande verloren und konnte von Glück reden, daß er selbst mit heiler Haut hatte entkommen können.
Ein anderes Ereignis, welches für Madouc selbst Bedeutung hatte, war die Verlobung ihrer liebenswürdigen und scheinbar nachlässigen Erzieherin Lady Lavelle. Die Vorbereitungen für die Vermählung mit Sir Garstang von Burg Twambow erforderten ihre Abreise von Haidion und Rückkehr nach Pridart.
Madoucs neue Lehrerin war Lady Vosse, die altjüngferliche, ledig gebliebene Tochter von Casmirs Vetter zweiten Grades Lord Vix von Wildmay von den Vier Türmen bei Slute Skeme. Gehässige Gerüchte behaupteten, daß Lady Vosse während der Abwesenheit Lord Vix' von Wildmay von den Vier Türmen von einem herumstreunenden Goten gezeugt worden war; was immer an dieser Geschichte wahr war, jedenfalls wies Lady Vosse keinerlei Ähnlichkeit mit ihren drei jüngeren Schwestern auf, die schlank, dunkelhaarig, sanftmütig und hinreichend hübsch waren, um unter die Haube gebracht zu werden. Lady Vosse dagegen war groß, grauhaarig und grobknochig, ausgestattet mit einem kantigen, granitartigen Gesicht, grauen Augen, die unter eisengrauen Brauen hervorstarrten, und einer Charakterart, der es gänzlich an jener Lockerheit und Ungezwungenheit mangelte, welche die Lady Lavelle ausgezeichnet hatten.
Drei Tage nach der Abreise von Lady Lavelle zitierte Königin Sollace Madouc in ihre Gemächer. »Tritt vor, Madouc! Dies ist die Lady Vosse, die die Pflichten übernehmen soll, die, wie ich fürchte, von Lady Lavelle ein wenig vernachlässigt wurden. Deine Erziehung wird künftighin von Lady Vosse beaufsichtigt werden.«
Madouc warf einen verhohlenen Blick auf Lady Vosse. »Bitte, Eure Majestät, ich glaube, daß eine solche Aufsicht nicht länger vonnöten ist.«
»Ich wäre froh, wenn es so wäre. Auf jeden Fall wird Lady Vosse dafür Sorge tragen, daß du Fertigkeit in den maßgebenden Kategorien erlangst. Genau wie ich ist auch sie nur mit ausgezeichneten Leistungen zufriedenzustellen, und du mußt all deine Kraft diesem Ziele widmen!«
Lady Vosse sagte: »Lady Lavelle, so hörte ich, war lax in ihren Maßstäben und versäumte es, die Exaktheit jeder einzelnen Unterrichtsstunde gebührend durchzusetzen. Das Opfer dieser Laxheit ist beklagenswerter Weise Prinzessin Madouc, die in die Angewohnheit verfallen ist, ihre Zeit zu vertrödeln.«
Königin Sollace sagte: »Es freut mich, diese unverblümten Worte zu hören! Madouc konnte sich noch nie mit Präzision oder Disziplin anfreunden. Ich bin sicher, Lady Vosse, daß Ihr diesen Mangel beheben werdet.«
»Ich werde mein Bestes tun.« Lady Vosse wandte sich Madouc zu. »Prinzessin, ich verlange keine Wunderdinge! Ihr müßt nur Euer Bestes geben!«
»Ganz recht«, sekundierte Königin Sollace. »Madouc, verstehst du dieses neue Prinzip?«
Madouc sagte tapfer: »Laßt mich dies fragen: Bin ich die königliche Prinzessin?«
»Nun, ja, gewiß doch.«
»In dem Fall muß Lady Vosse meinen königlichen Befehlen gehorchen und mich das lehren, was ich zu lernen wünsche.«
»Ha hah!« sagte Königin Sollace. »Deine Argumente sind zwar bis zu einem gewissen Punkt triftig, aber du bist immer noch zu unerfahren, um beurteilen zu können, was für dich das Beste ist. Lady Vosse hingegen ist in dieser Hinsicht überaus weise und wird
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