Lyra: Roman
zuwenden. Sie werden das, was diese glitschigen, nassen Geräusche verursacht, auch mit mir machen. Sie werden mich packen und mit den Geräten, diesen Dingen, die sie benutzen, über mich kommen.« Sie klammerte sich an ihn. »Ich sehe diese Dinge, diese Geräte, was immer sie auch sind, nie. Ich höre immer nur das, was sie tun können, aber ich weiß, dass sie scharf sind und spitz und dass sie in alles hineinschneiden können. Ich weiß, dass sie einem wehtun können. Dass sie einem ganz, ganz lange wehtun, bevor man dann endlich nichts mehr spürt. Ich höre diese nassen Geräusche und ahne, was da in der Dunkelheit passiert.« Sie weinte jetzt hemmungslos, und die Worte kamen nur in Bruchstücken aus ihr hervor. »Da ist ein Zimmer, das ganz rot ist, und ich bin in diesem Zimmer. Danny, in diesen Träumen, da bin ich ein Kind, ein kleines Mädchen, ungeboren, ich weiß es. Es ist völlig verrückt, ich bin UNSER kleines Mädchen, und ich habe solche Angst, weil ich in eine Welt geboren werde, in der es Dinge gibt, die so scharf und spitz sind und die alles schneiden, was sie nicht leiden können.«
»Oh, Sunny!«
»Ich träume das in jeder verdammten Nacht, Danny. JEDE VEI^DAAlAfTE Nacht.
Danny spürte, wie sie zitterte.
»Und weißt du, was das Schlimmste ist?«
Er schüttelte den Kopf.
»Ich weiß, dass sie es auch träumt.« Sie berührte ihren Bauch. »Ich weiß, dass die Kleine es auch träumt. Nicht so, wie ich es tue, aber ähnlich. Es sind ähnliche Bilder. Sie tun ihr weh, ich weiß es. Sie ist zwar nur winzig, aber sie träumt es. Ja, ich weiß, was die Ärzte jetzt sagen würden. Ich bin in der achtzehnten Woche, und ich kann eigentlich noch gar keine Tritte spüren. Aber du hast die Tritte auch gespürt, schon vor Wochen. Vielleicht spürt man sie, wenn man besonders darauf achtet. Vielleicht sind es ja keine richtigen Tritte, sondern einfach nur winzige Hände, die unsichtbar ausgestreckt werden und von uns ergriffen werden wollen.«
Der Wind, der von draußen ins Zimmer wehte und den Regen mit sich brachte, wurde unangenehm kalt.
»Es geht ihr nicht gut, Danny. Diese Bilder müssen verschwinden.«
»Ich weiß.«
»Ich halte das nicht mehr aus«, wimmerte sie leise. »All diese Sachen, die in meinem Kopf sind.« Sie sah ihn verzweifelt an. »Ich will, dass sie verschwinden. Ich will, dass es wieder so wird, wie es war.«
Danny küsste sie auf die Stirn, dann hielt er sie fest, das war alles. Eine Weile lagen sie still da und schwiegen.
»Als ich dich am Flugplatz gesehen habe«, sagte sie schließlich, »da hätte ich am liebsten sofort mit dir geschlafen. Irgendwo, scheißegal wo, nur sofort, auf der Stelle, weil ich dich so vermisst habe.« Sie seufzte. »Aber jetzt«, sie stockte, »sieh doch, was mit uns passiert. Was, verdammt nochmal, ist das nur?«
»Es ist die Lüge, die in dir lebt.« Dannys Stimmte bebte. »Sie wird nicht von allein verschwinden.« Er hätte niemals gedacht, dass die Lüge, die von Sunny Besitz ergriffen hatte, so mächtig war. Dass sie so weit reichte.
»Glaubst du, dass diese Sirenen uns helfen können?«
»Ich hoffe es«, flüsterte er. Sie mussten es auf jeden Fall versuchen, denn sonst würde es keine Zukunft geben für sie, so einfach war das.
»Danny?« Das Trommeln des Regens war wie Nadelstiche.
»Ja?«
»Halt mich einfach nur fest.« »Ist gut.«
Die Vorhänge wehten im Wind, wie blasse Nebel, durch die zu sehen einem kaum möglich ist.
Und Danny hielt Sunny in den Armen. Sonst nichts. Er hielt sie fest, als käme ein Sturm auf und könne sie mit sich nehmen. So fest, als gebe es in der Welt kein Morgen mehr.
Irgendwann schlicf sie dann ein. Sie sagte nichts mehr, und ihr Atem ging langsamer.
Danny trug sie zum Bett zurück, legte sich neben sie. Ihr nackter Körper war wie Elfenbein im Mondlicht.
Danny konnte nicht schlafen. Er drehte sich unruhig im Bett hin und her. Er betrachtete Sunny.
Sie hatte Träume, die nicht gut waren, die ganze Zeit über.
Ihre Lider flackerten, und sie stöhnte ängstlich auf, wenn sie das Kopfkissen drückte. Ihre Finger waren wie Krallen im Betttuch.
Einen Moment lang hatte Danny überlegt, die Nacht zu nutzen und die Bar aufzusuchen.
Das Cafe du Monde , rund um die Uhr geöffnet.
Doch dann hatte er sich anders entschieden.
Er würde bei Sunny bleiben.
Würde sie jetzt nicht allein lassen.
Wenn sie besonders unruhig schlief, dann legte er ihr eine Hand auf die Schulter, den Arm, den Bauch. Sie wurde
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