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Lyra: Roman

Lyra: Roman

Titel: Lyra: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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dann sofort ruhiger.
    Er stellte sich vor, wie die Kleine, die langsam in ihrem Bauch heranwuchs, diese Berührung ebenso spürte, wie seine Frau es tat. Ja, denn das war sie, noch immer, trotz all der Misslichkeiten, mit denen sie zu kämpfen hatten. Sie trug den Ring am Finger, wie er es tat. Das Zeichen ihres Bundes, geschlossen mit ganzer Seele und singendem Herzen, an diesem güldenen Tag in Nashville, der eigentlich grau und kalt und regennass gewesen war.
    In guten wie in schiechten Tagen. Genau das hatte der Priester gesagt. Jetzt begann Danny zu ahnen, was er damit gemeint hatte. O ja, jetzt erst erkannte er es wirklich.
    Irgendwann am Ende dieser Nacht setzte sich Danny auf die Bettkante.
    Betrachtete den Aufgang der Sonne.
    When the Sailor inet Sunny...
    Langsam stieg die glühende Scheibe auf und übergoss die Stadt mit ihrer warmen Farbe.
    Dann öffnete Sunny die Augen. Sie wirkte verkatert, räkelte sich müde. »Ich habe geträumt«, sagte sie.
    »Ich weiß.« Danny küsste ihr sanft die Nasenspitze. »Ich weiß. Deswegen bin ich hier.«
    Sie schenkte ihm ein Lächeln, gegen das der Sonnenaufgang keine Chance hatte.
    So begann der Tag.
    »Wie geht es dir?«
    Sie kam gerade aus dem Bad. »Mir ist übel«, antwortete sie.
    »Schlimm?«
    »Normal.«
    Sie zog sich an. Langer Rock, Shirt, die Haare mit einem Tuch nach hinten gebunden. Schminkte sich schnell.
    »Ich kann allein ins Cafe gehen.«
    »Ich komme mit.«
    Er grinste. »Das hatte ich gehofft.«
    Sie knuffte ihn, »Lass uns gehen.«
    Um das Cafe du Monde zu erreichen, mussten sie bloß die Straße hinunterschlendern, Richtung Mississippi. Sie befanden sich mitten im French Quarter. An einer Ecke boten jugendliche Breakdancer Akrobatik dar, schon früh am Morgen. Die Straßen waren schmal, und in den Hinterhöfen konnte man leise Springbrunnen plätschern hören. Verträumte Patios, Balkone mit Rankgewächsen, Grünflächen mit Statuen.
    The Big Easy.
    Genau so wirkte es.
    Die Stadt um sie herum erwachte langsam zum Leben.
    Von den starken Regengüssen der letzten Nacht waren nur feine Nebel übrig geblieben, die über der Straße wehten wie verirrte Gespenster. Oben auf den Baikonen und Balustraden wurden die Pflanzen gegossen, Wasser tropfte von den Palmen und Akazien herunter. Die Sonne stand am wolkenlosen Himmel und würde bald alles getrocknet haben. Schon jetzt konnte man erahnen, wie heiß es um die Mittagszeit sein würde.
    »Ist schon seltsam«, sagte Sunny nach einer Weile.
    »Was?«
    »Na, das alles hier.« Sie sah ihn an. »Wir beide.« Er schwieg.
    »Weißt du, Danny, ich habe mich immer so unvollständig gefühlt. Als Kind, meine ich.« »Wegen deines Vaters?«
    »Ja. Es hat ihn nie gegeben. Nur Amber und mich. Aber das war zu wenig.« Sie nannte ihre Mutter immer beim Namen, das hatte Danny schon früh bemerkt. Immer Amber, niemals Mutter. »Ich habe ihn immer vermisst. Ich hätte gern ganz normale Eltern gehabt.«
    »Sind Eltern das denn jemals?«
    »Du magst deine nicht.«
    »Das ist etwas anderes«, betonte Danny, »ich hasse sie.«
    »Aber sie waren immer für dich da.«
    »Sie waren da.«
    »Ist das nicht das Gleiche?«
    »Nein, ist es nicht.« Er wusste, dass es bitter klang, wenn er das sagte. Aber es war die Wahrheit.
    Sie blieb stehen. »Ich will nicht, dass unser Mädchen so aufwächst, wie ich aufgewachsen bin. Ein Kind sollte doch zwei Elternteile haben. Und... na ja, vielleicht sollte sie auch nicht so aufwachsen, wie du aufgewachsen bist.«
    »Ich weiß«, sagte er. »Ich weiß sehr gut, was du meinst.«
    Sie gingen die Peter Street hinunter zum Fluss.
    Am Jackson Square blieben sie stehen, um einem Musiker zu lauschen. Er sah aus wie Courtney Pine und spielte etwas von Johnny Favorite, wie passend.
    Girl of my Dreams.
    Eine leise, ruhige Melodie.
    »Woran denkst du?«, fragte Sunny.
    »An den Namen.«
    »Welchen Namen?«
    Er sah sie an. »Na, den Namen der Kleinen.«
    »Du fragst dich, wie wir unser Mädchcn nennen sollen?«
    Hey, sie hatte wieder unser gesagt.
    »Ja.«
    »Und?«
    »Weiß nicht.«
    Sunny lächelte. »Wie wäre es mit Joan?«
    Versonnen sagte er: »Joan Darcy.« Er überlegte, schüttelte den Kopf. »Besser als Johnny«, grinste sie.
    Beide mussten lachen. Es tat gut zu lachen. Sie sollten das wieder öfter tun.
    Dann fiel es ihm ein. »Jenny«, sagte er plötzlich. »Jenny Darcy.«
    Das Sonnenlicht entfachte ein Leuchten in ihren Augen. »Jenny«, murmelte sie. »Ja, warum nicht.«
    Der Musiker spielte

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