Lyra: Roman
gewaltsam von sich fort, kroch rückwärts über den Boden. »Nein, nein, nein«, schrie sie wie wild, panisch und ängstlich. Dicke Tränen standen in ihren Augen, bittere Tränen der Wut und der Verzweiflung. »Nein, Danny, das bin nicht ich«, wimmerte sie.
»Sunny.«
Sie kroch so weit von ihm fort, bis sie mit dem Rücken an der Wand auf dem Boden sitzen blieb. Er schnappte nach Luft. »Sunny, was hast du?«
Sie schlang die Arme um ihre angewinkelten Beine. »Das eben, das war nicht ich«, murmelte sie.
Danny, der keine Ahnung hatte, wovon sie redete, kroch zu ihr hin, berührte sie, und sie zuckte zusammen.
»Sunny?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Sunny!« Wie eine magische Beschwörungsformel, leise und heimlich, nah und so fern. Jetzt sah sie ihn an. »Was war das eben?«, fragte sie. »Was meinst du?«
»Du hast gerade...« Sie kämpfte mit den Tränen. »Ich war jemand anders.«
Danny wusste noch immer nicht, was sie meinte. Das Licht zauberte Schatten wie Schleier auf ihre Haut. »Als du in mir warst«, flüsterte sie, »da war ich eine andere.«
»Sunny.« Er hielt sich an diesem Namen fest, weil es sonst nichts gab, woran er sich festhalten konnte.
»Ich habe mich selbst gesehen, und ich war nicht ich.« Sie schnappte nach Luft, suchte nach Worten. »Ich war diese gottverdammte Schlampe, mit der ich dich gesehen habe. In der Stadt.« Sie zitterte. »Es war nicht mein Körper, mit dem du...« Sie stockte. »Es war...« Sie schluckte, Tränen brachen erneut hervor. »Du hast dieses Flittchen gefickt, Danny, aber ich war diejenige, die es gespürt hat. Du hast... Ich habe in mir gespürt, wie du sie gefickt hast.«
Danny schwindelte.
Hatte er gedacht, dass sie die Lüge so einfach würden überlisten können?
War er so töricht gewesen zu glauben, dass nun alles wieder so gut wie früher werden würde?
Er nahm sie in die Arme, und sie ließ es zögerlich geschehen. »Es war nicht real«, flüsterte er.
»Doch«, schluchzte sie. »Das war es.« Sie schlug ihm halbherzig auf die Brust und fügte wütend hinzu: »Du Dreckskerl, ich habe es gesehen.« Sie hielt sich den Kopf mit beiden Händen, als müsse sie schreckliche Schmerzen vertreiben. »Es ist hier drinnen.«
»Nein.«
»Nein?«
»Das warst die ganze Zeit über du selbst. Du bist hier bei mir. Du, Sunny. Das ist die Wirklichkeit. Wir sind die Wirklichkeit.« Die Hilflosigkeit schlug ihre Zähne in sein Herz.
»Und was war das, was ich eben gesehen habe?«
»Es war gelogen.« Er wusste, wie falsch sich das anhörte.
»Aber ich habe es gefühlt.« Sie klang verzweifelt.
»Sunny.«
»Es war echt...«
»Ich...«
»Ich habe es gefühlt.« Sie presste die Hände gegen die Schläfen. Weinte. »Es war so real, Danny. Tief in mir drinnen. Diese Schlampe, es war ihr Gesicht und mein Körper. Was sollen wir nur tun?«
Er nahm sie in die Arme, drückte sie an sich.
Sie ließ es geschehen. Ihre schweißnasse Haut war kalt.
»Du warst die ganze Zeit über nur du selbst.«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, Danny, ich habe dich gesehen, wie du mit ihr geschlafen hast. Es war ihr Körper, der sich da gewunden hat, und ich habe alles gespürt, so eine Scheiße, verdammt, ich habe gespürt, was sie fühlt, wenn du sie fickst.«
Er drückte sie fester an sich. Ihr Haar roch nach Heu und Regen. »Es war eine Lüge.«
»Ich weiß«, wimmerte sie. »Aber trotzdem war es wirk lieh.«
»Oh, Sunny«, flüsterte er nur.
»Es muss aufhören«, flehte sie ihn an. »Versprich es mir, los! Versprich mir, dass es irgendwie aufhören wird.«
»Das wird es.«
Sie nickte, schluchzte. »Es ist wie mit den Träumen.«
»Du meinst...«
»Die Träume der Kleinen.«
Unbewusst wanderte Dannys Hand hinab zu ihrem Bauch, blieb sanft dort liegen, spürte ihren Atem.
»Da sind Bilder, die nicht mir gehören«, sagte sie. »Gefühle, so rot wie ein See aus Blut.« Heiße Tränen rannen ihr übers Gesicht. »Ich wache jeden Morgen schreiend auf, weil ich träume, was ein Kind träumt. Unser Kind. Menschen, die riesengroße Schatten sind, streiten laut miteinander. Sie schlagen sich voller Wut, schreien einander an. Da sind diese Geräusche, die...« Sie stockte. »Danny, das sind Geräusche, die sich anhören, als sei es ein Horrorfilm. Sie sind um mich herum, hinter der Tür des Zimmers, in das man mich gesperrt hat, und ich weiß, wenn die schattenhaften Erwachsenen mit dem fertig sind, was sie einander antun, dann wird das, was von ihnen übrig ist, sich mir
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