Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lyra: Roman

Lyra: Roman

Titel: Lyra: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
Vom Netzwerk:
»Ja, ich denke, ich kenne ihn.«
    »Kommt er oft hierher?«
    »Nein.«
    »Können Sie ihm meine Telefonnummer geben?«
    Sie nickte. »Wenn er auftaucht, kann ich das tun.«
    »Sagen Sie ihm, dass Tylcr Blake mir ihn empfohlen hat.«
    »Ja, kein Problem. Er wird sich bei Ihnen melden. Oder auch nicht. Er ist etwas seltsam.«
    »Danke.«
    Sie ging weg, bediente den nächsten Tisch.
    »Sehr geheimnisvoll«, meinte Sunny. Und dann: »Mir wird richtig übel, wenn ich den Kaffee rieche.«
    »Tut mir leid.«
    »Muss es nicht. Wir können ja schnell wieder gehen.«
    Sunny leerte rasch ihren Orangensaft, knabberte an den beignets herum.
    »Komm, wir laufen zum Fluss«, schlug sie vor.
    Er war einverstanden.
    Sie zahlten, betonten der Bedienung gegenüber noch einmal, wie wichtig es war, dass besagte Person die Telefonnummer auch wirklich bekam, und dann verließen sie das Café du Monde, bevor die ersten Touristen in Schwärmen dort auftauchten.
    »Glaubst du, er meldet sich?«, fragte Sunny.
    Die Antwort kam schneller, als sie erwartet hatten.
    Sie hatten das Café du Monde keine fünf Minuten verlassen und das Ufer des Mississippi noch nicht erreicht, als Dannys Handy klingelte.
    »Mr. Jones ist mein Name«, sagte die Stimme. Dann folgte sogleich eine Anweisung. »Kommen Sie in den Garden District. Ich treffe Sie in einer Stunde in Anthony's Café. Drüben in der Magazine Street.« Die Verbindung riss ab, mehr sagte er nicht.
    »Das war also Mr. Jones«, stellte Sunny fest.
    Danny nickte. »Sehr redselig.« »Immerhin wissen wir jetzt, dass er mit uns redet.«
    Und Danny Darcy, der voller Tatendrang war, ergriff Sunnys Hand und zog sie mit sich, hinein in die Stadt, die jetzt in Musik und Leben erblühte. Wie immer diese Geschichte auch enden würde, sie steckten jetzt beide mittendrin.
    Sie verließen Downtown eine halbe Stunde vor dem vereinbarten Zeitpunkt mit der Straßenbahn, die noch immer zwischen dem French Quarter und dem Garden District verkehrte. Die Holzbänke in der historischen Streetcar waren so hart, wie sie es vor mehr als hundert Jahren schon gewesen waren. Die Zeit schien hier nicht richtig zu vergehen, nicht einmal in der Straßenbahn.
    So erreichten sie das Wohnviertel mit den riesigen vornehmen Herrenhausern, die einst von den reichen Pflanzern und Händlern erbaut worden waren, eleganten Villen, mal im viktorianischen Stil mit Säulen aus poliertem Stein, mal im wärmeren New-Orleans-Stil, der eher auf Holz vertraute.
    Überall wuchsen Magnolienbäume und Kamelien, es roch nach Azaleen und Jasmin. Die hohen Gitter aus Gusseisen zeigten Maisstängel und alles andere auch.
    Sie verließen die Straßenbahn in der Magazine Street, fuhren nicht bis zur Endstation.
    Den Treffpunkt fanden sie sofort.
    Anthony's Café war ein kleiner Laden im Kolonialstil, wie es ihn auch vor hundert Jahren schon gegeben hatte. Dort wurden Tee und Gebäck und alle Sorten von Kaffee verkauft. Eigentlich war der Laden gar kein richtiges Cafe, aber der Name klang gut, und er sah auch gut aus, auf dem Schild mit den geschwungenen Buchstaben.
    »Toll«, murmelte Sunny, »schon wieder Kaffee.«
    Danny sagte nichts.
    Vor dem Laden standen kleine Tische auf dem Bürgersteig, mit Korbstühlen.
    Ein Mann saß dort.
    Beobachtete sie.
    Er trug einen hellen Anzug. In der Hand hielt er eine Papiertüte und fütterte die Vögel, die auf der Straße auf und ab hüpften. Ein geflochtener feiner Strohhut bedeckte seinen Kopf. Die kleinen Augen blinzelten wachsam in die Sonne. Ein Gehstock lehnte an seinem Stuhl.
    »Mr. Jones?«, fragte Danny und trat vorsichtig auf ihn zu.
    »Mögen Sie Vögel?«, fragte der Mann, der nicht alt und nicht jung war, nur sehr adrett. »Sie sind uns Helfer, oftmals, in vielen Lebenslagen.« Er grinste, als habe er gerade einen vortrefflichen Scherz verlauten lassen.
    »Ja«, murmelte Danny, ein wenig verdutzt, aber höflich. »Na ja, ich habe bisher nie darüber nachgedacht. Ich habe jedenfalls nichts gegen sie, die Vögel, meine ich.«
    »Ich auch nicht«, sagte Sunny.
    Der Mann lächelte freundlich. »Sie sind auf der Suche, habe ich Recht?«
    »Ja.«
    »Sie beide?«
    Sunny sagte: »Ja.«
    »Dann nehmen Sie Platz.« Er bot ihnen zwei Stühle an. »Ich bin Mr. Jones.« Er reichte ihnen die Hände.
    »Tyler Blake hat uns zu Ihnen geschickt.«
    Mr. Jones nickte.
    Sein Händedruck war fester, als Danny erwartet hatte. »Das geht in Ordnung.« Sein glatt rasiertes Gesicht mit der runden Brille ließ ihn wie einen

Weitere Kostenlose Bücher