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Lyra: Roman

Lyra: Roman

Titel: Lyra: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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Inbrunst, mit der Mr. Jones ihnen die Geschichte zum Besten gab, musste sie eine seiner Lieblingsgeschichten um die Wesen aus den Bayous sein. »Ja, richtiggehend ausgetrickst hat sie ihn.«
    Denn nichts auf der Welt liebte Alec Merieult so sehr wie die Pflanzen, die sein Leben bestimmten. Er konnte die Worte und Empfindungen in dem Rascheln verstehen.
    »Calypso hatte also ihr Wort gehalten. Auf eine gewisse Art und Weise.«
    »Und dann?« Sunny rutschte unruhig auf ihrem Stuhl hin und her.
    »Nun, schließlich erblickte er sein Spiegelbild im Wasser.«
    Und erschrak.
    Denn das, was er dort sah, war ein Monster aus Wurzeln und Astwerk. Eine Kreatur, die zwar eine menschliche Gestalt erkennen ließ, deren abstoßendes Äußeres aber weder Haut noch Haare besaß. Gräser wuchsen auf ihr und in ihr, die Augen waren Blüten von seltsamer Farbe.
    »Von dieser Nacht an war Alec Mcrieult kein Mensch mehr, nie wieder.«
    Er war zu einem abscheulichen Ding geworden; einem Ding, das im Sumpf lebt und sich von dem Getier ernährt, das es dort findet.
    »Man sagt, dass er noch immer da draußen haust«, wisperte Mr. Jones. »In den Weiten des Bayou Blanc.«
    Manche behaupten, dass man ihn ums Haus von Richter Thatcher hat schleichen sehen, in den mondlosen Nächten, wenn die Schatten regieren; eine Pflanze in menschlicher Gestalt, unfähig, ein Mädchen auch nur je anzusprechen.
    »Sehen Sie?«, beendete Mr. Jones seine Erzählung. »Das ist es, was ich gemeint habe. Seien Sie sehr, sehr vorsichtig.«
    »Dann war Calypso eine Sirene?«
    »Sirene, Hexe, Namen gibt es viele.«
    Danny bemerkte, dass er die ganze Zeit über nichts getrunken hatte. Der Tee stand noch immer vor ihm. Sunny war es ähnlich ergangen.
    »Was geschieht jetzt?«, wollte sie wissen.
    Mr. Jones erhob sich. Nahm den Stock. »Sie zahlen die Rechnung«, lachte er. Dann lüpfte er den Hut. »Ich empfehle mich.« Er zündete sich eine neue Zigarette an. »Sie wissen alles, was Sie wissen müssen. Den Weg müssen Sie jetzt allein gehen.« Mit diesen Worten drehte er sich um und schlenderte die Straße hinab, ohne noch einmal zurückzuschauen.
    Sunny schüttelte den Kopf. »Guter Abgang«, stellte sie fest. »Der Kerl weiß, wie man geheimnisvoll bleibt.«
    »Ja, sieht so aus.«
    »So weit, so gut«, fasste Sunny das alles zusammen.
    »Bayou Atchafalaya.«
    »Southern Gothic«, murmelte sie. »Diese Geschichten, glaubst du, dass sie wahr sind?«
    »So wahr, wie Lügen eben sein können«, antwortete Danny.
    »Und was tun wir jetzt?«
    Danny leerte das Glas mit dem Tee in einem Zug. »Wir essen zu Mittag. Packen unser Zeug, mieten einen Wagen.« Er lehnte sich im Korbstuhl zurück, verschränkte die Hände hinter dem Kopf, streckte genüsslich die Beine aus. »Und dann fahren wir nach Morgan City.«
    »Das ist der Plan?«
    »Yep«, ließ er verlauten, »das ist der Plan.«
    Sie betonte es wie eine Frage. »Wir fahren nach Morgan City, suchen diesen Henri Lafitte und treiben uns mit ihm in den Bayous herum, bis wir die Sirenen gefunden haben?«
    »Das ist der Plan im Einzelnen.« Er musste laut lachen. »Herumtreiben klingt nicht schlecht.«
    Sunny betrachtete eine Weile die Passanten, ließ die Sonne ihre Nase kitzeln. Dann sagte sie entschlossen: »Okay, Rumtreiber. Komm, treiben wir uns rum.«
    Und Danny, der das Funkeln in ihren Augen sah, wusste, dass sie genau das tun würden.
    FÜNFTES KAPITEL
    So ziemlich in der Mitte von allem
    Tell me stories, tell me lies, silence will not shine tonight, give me kisses - time that flies will not hurt us if we fight.
    TYLER BLAKE, Storyteller
    Der Flan war, wie die meisten Pläne, die sich im Nachhinein als gute Pläne erweisen, ein einfacher Plan. Nun ja, eigentlich war es überhaupt kein richtiger Plan, denn ein richtiger Plan, darf er sich denn so nennen, erfordert eine genaue Planung, sorgfältige Gedanken bezüglich der weiteren Vorgehensweise und, noch darüber hinaus, einen kühlen Kopf, der alle möglichen Eventualitäten zu Ende denkt.
    Und Danny Darcy?
    Er tat nichts von alledem.
    Keine langen Überlegungen, keine sorgfältige Planung. Es war so, als würde er einen neuen Song komponieren. Alles war Bauchgefühl, die Melodie entstand, wenn er sie zu spielen begann, nicht vorher.
    Er mietete sich einen grünen Dodge, und dann führen sie los. Das war alles.
    On the road again.
    Willie Nelson und Jack Kerouac waren wohl ähnlich gestrickt gewesen. Ja, manchmal war das Leben so. Just do the right thing. Nothing's

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