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Lyra: Roman

Lyra: Roman

Titel: Lyra: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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da draußen.« Er schaute sich um, als wolle er sich vergewissern, dass keine Lauscher in der Nähe waren. »Ein Schiff ist angeblich einst vor der Küste gestrandet, vor langer, langer Zeit, und die Überlebenden sind auf ihrer Suche nach einem Ausweg und einer Siedlung tief ins Innere der Sümpfe vorgedrungen.« Seine Stimme war zu einem Flüstern geworden. »Sie haben sich natürlich verirrt, und einige sind von den Spinnen und den Alligatoren gefressen worden. Aber diejenigen, die überlebt haben, die haben Geschichten erfunden, um sich Mut zu machen.«
    Danny stellte sich vor, wie sie ihren Ängsten Gestalt verliehen und sie in Worte gekleidet hatten. Man musste über die Dinge reden, die einen das Fürchten lehrten, denn dann waren sie weniger furchteinflößend. Jeder wusste das.
    »Man sagt, dass schon damals Hexen in den Sümpfen lebten. In den Nächten haben sie den Schiffbrüchigen aufgelauert. Sie haben deren Geschichten in Netzen an Stöcken eingefangen und in mit Pech verfinsterte Laternen gesperrt, und aus all diesen Geschichten haben sie dann das Haus errichtet.« Mr. Jones machte eine Pause, beobachtete neugierig seine Zuhörer, als suche er nach etwas Bestimmtem in ihren Gesichtern. »So ist das Maison Rouge angeblich entstanden, und mit den Jahren ist das Haus natürlich gewachsen, weil sich immer wieder Menschen in den Sümpfen verirrt haben. Man erzählt sich, dass eines jeden stille Furcht und jeder einzelne Albtraum, und sei er noch so klein gewesen, zu einem eigenen Zimmer wurde.«
    Danny fröstelte heftig.
    »Und da gibt es noch eine Geschichte«, ergänzte Mr. Jones. »Eine, die besagt, dass das Haus nicht nach außen, sondern nach innen gewachsen sei.« Die kleinen Augen musterten die beiden. »Man erzählt sich, dass es von innen größer sei als von außen.«
    »Wer sind Sie?«, fragte Sunny ihn unvermittelt.
    »Mr. Jones«, sagte Mr. Jones.
    »Was tun Sie?«
    »Ich helfe Leuten wie Ihnen«, antwortete er.
    »Sie sind ein Rätsel.«
    Er lachte. »Kennen Sie die Stadt, die Riddle heißt?«
    Danny schüttelte den Kopf.
    »Da komme ich her.«
    »Und Tyler Blake?«
    »Hat mich in Riddle getroffen, das war vor vielen Jahren. Aber wenn er es Ihnen nicht erzählt hat, dann werde ich das auch nicht tun. Man muss nicht alles ausplaudern, nicht wahr?!«
    Danny stimmte ihm zu.
    Es war Sunny, die die Frage stellte: »Und dieser Henri Lafitte?«
    »Keine Ahnung. Ich persönlich habe nichts mit Henri Lafitte zu schaffen. Aber jeder kennt ihn. Wenn jemand raus in die Bayous will, dann heuert er Lafitte an. Doch Sie müssen vorsichtig sein, Mr. und Mrs. Darcy. Ich bin sicher, dass es das Maison Rouge wirklich gibt, und den Sirenen, so heißt es, ist nicht zu trauen.«
    »Wie meinen Sie das?« Sunny beugte sich vor.
    »Sie sind verschlagen.« Mr. Jones zwinkerte ihnen geheimnisvoll zu. »Sagt man.« Er nippte an seinem Kaffee. »Wie schon erwähnt, das sind natürlich alles nur Geschichten, aber die Leute hier unten wissen, wie ernst man die Geschichten, die des Nachts an den Feuern erzählt werden, nehmen muss. Es ist nicht mit ihnen zu spaßen, nein, niemals. Geschichten sind zu lebendig, um sie links liegen zu lassen. Nicht umsonst entzünden die Menschen in den Bayous große Feuer, Die Dunkelheit kann sehr unangenehm sein.«
    »Was hat es mit den Sirenen auf sich?«, hakte Sunny nach.
    »Sie neigen dazu, die Dinge, die man sich von ihnen erhofft, auf eine, sagen wir mal, sehr eigene Art und Weise auszulegen,«
    Sie musterte ihn neugierig.
    »Das sagt man«, ergänzte er.
    Sunny legte den Kopf schräg. »Sagt man das, ja?«
    »Ich sehe es Ihnen an, Sie wollen wirklich alles hören, nicht wahr?! Doch bedenken Sie, dass Sie manches erleben müssen.« Mr. Jones' Stimme war wie Honig. »Nun ja, lassen Sie mich Ihnen trotzdem noch eine kleine Geschichte erzählen.« Er bestellte einen weiteren Kaffee. Neue Zigaretten.
    Dann begann er mit leiser Stimme: »Viele Arkadier kennen sie, doch Ihnen, denke ich, ist sie noch nicht bekannt.« Er räusperte sich. »Also gut. Diese Geschichte, nun ja, sie handelt von einem Mann namens Alec Merieult.«
    Doktor Merieult.
    »Sie trug sich vor vielen Jahren zu, keine Ahnung, wie lange es her ist. Als ich in diese Gegend kam, da war die Geschichte um den Doktor und das, was ihm widerfahren war, schon eine recht alte Geschichte.
    Alec Merieult lebte - ich glaube, es muss in den 50er Jahren gewesen sein - auf einer alten Plantage in der Nähe von Humphreys. Er war Botaniker,

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