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Lyra: Roman

Lyra: Roman

Titel: Lyra: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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fortgegangen sein.«
    »Wohin?« Wieso dieser plötzliche Stimmungswandel?
    Sie zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht. Ans Firmament vielleicht, zu all den anderen Sternen.«
    »Und was können wir jetzt gegen Ihre Schwestern ausrichten?«, fragte er.
    Calypso sah ihn an. »Wir werden es herausfinden, nicht wahr?!«
    Er streckte die Hand nach der Tür aus.
    Was gewesen war, zerfloss.
    Alles, was wichtig war, begann zu Hießen.
    Und so waren sie wieder im Maison Rouge angelangt.
    Es war, nach all den Enttäuschungen der Wanderschaft, ein befreiendes Gefühl, wieder dort zu sein. Das Gefühl, etwas bewirken zu können, ergriff von Danny Besitz und vertrieb die lähmende Untätigkeit, zu der er während der letzten Stunden verdammt gewesen war.
    Nach der erfolglosen Suche in der erdachten Welt, den Prüfungen, die ihm noch immer im Gedächtnis und im Herzen brannten, war er wieder da, von wo er vor nicht einem Tag und einem halben Leben losgezogen war.
    »Wir müssen vorsichtig sein«, flüsterte Calypso. Sie befanden sich auf einer Lichtung, umgeben von Eichen. Sie deutete umher. »Das ist der Ort, bevor es das Maison Rouge gab.«
    Er versuchte eine Ähnlichkeit mit der Insel, die er kannte, zu entdecken, gelangte aber nur zu dem Schluss, dass er diesen Übergang allein niemals gefunden hätte.
    Dies war eine unberührte Wildnis, ein Bayou, dessen Tiefen noch nie ein Mensch betreten hatte.
    »So war Arkadien«, hauchte Calypso, »damals.«
    Sie öffneten leise die Tür, lugten auf den Korridor hinaus.
    Nichts.
    Danny verließ den Raum. Calypso folgte ihm.
    Die Landschaft hinter ihnen verblasste augenblicklich, sobald sie die Schwelle überschritten hatten und in den Korridor hinausgetreten waren. Dort war wieder alles normal. Das Zimmer, das sie gerade verlassen hatten, war ein normaler Raum. Mit einem Schrank und einem Sekretär, auf dem Gläser voller Tinte standen, Schreibfedern lagen davor auf einer ledernen Unterlage.
    Die Bilder an den Wänden waren Gemälde, die einen Bayou zeigten, wild und unberührt.
    »Psst«, machte Calypso. Ihre Augen waren die einer Katze, wachsam und unnachgiebig.
    Danny indes fühlte sich leer.
    Die Lyra war verschwunden.
    Er stand mit leeren Händen da.
    Und ihrer beider Plan, den riesigen Vogel auf die beiden Damen loszulassen, war fehlgeschlagen, noch bevor sie ihn hatten ausführen können.
    Trotzdem, Er musste Sunny retten, sie hier rausholen.
    Draußen senkte sich die Nacht über den Bayou.
    L'Orient.
    Der Moment war gekommen.
    »Da entlang«, bedeutete Calypso ihm. Sie kannte sich hier aus, dies war einst ihr Zuhause gewesen. Wie auf Katzenpfoten schlichen sie durch das Halbdunkel. Dennoch knarrte das Holz unter ihren Füßen, und Danny konnte nur hoffen, dass niemand es hörte.
    Sie stiegen eine Treppe hinauf, dann noch eine. Das Haus war still. Ein lauer Wind wehte durch die Korridore und ließ die Vorhänge wie Geister in der Dämmerung tanzen. Überall brannten Kerzen. Es roch nach Feuer und Wachs und Gewürzen. Räucherstäbchen.
    Madame Cacaelia und Madame Cal sahen sie nirgendwo.
    »Wo sind sie?«
    Calypso flüsterte: »Ich weiß, wo sie sind.« Sie ging voran. »Fremden erscheint die Anordnung der Räume in diesem Haus wahllos und willkürlich, doch glaub mir, Danny Darcy, es hat alles einen Sinn.« Sie berührte eine Wand. »It h kann dir genau sagen, wann ein jeder Raum geboren wurde.« Ihre Augen waren in die Ferne gerichtet, wie in dem Moment auf dem Dampfer, als sie durch das Fenster geschaut hatten. »Es ist ein lebendiges Wesen, dieses Haus. Es ist wie wir.« Sie blickte auf. Ihre Augen schimmerten matt im Licht des Mondlichts, das von draußen in schmalen Streifen den Korridor erhellte.
    »Weiß es, dass wir hier sind?«
    »Es weiß alles«, hauchte sie.
    Danny nickte.
    Nahm es einfach hin.
    So viel völlig Eigenartiges war während der letzten Wochen passiert, dass ihn kaum etwas mehr verwunderte. Die Welt geriet immer mehr aus den Fugen, und das, was ihn wie verirrte Magie umgab, konnte nicht mehr geleugnet werden.
    Er dachte an Sunny.
    Er spürte sie.
    Ja, sie war irgendwo in diesem Haus. Sie wurde irgendwie von diesem Haus verborgen. Konnte das sein? War es möglich, dass ein Ort sich dem Willen der Sirenen unterwarf?
    Er vermisste sie. Oh, wie er Sunny vermisste. Erst jetzt, als er hier durch das Haus schlich, wurde ihm dies bewusst. Das Gefühl, sie seit Jahren nicht gesehen zu haben, war irritierend. Und schmerzhaft. Die Erinnerung an seine Wanderung durch

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