M A S H 02 - in der Heimat
den Großstädten war er aus Korea zurückgekehrt und hatte nichts weiter wollen, als daheim in Maine ein geruhsames Leben führen. Jetzt, ein Jahr später, fragte er sich, ob er überhaupt nach Crabapple Cove und Spruce Harbor gehörte. Sollte er lieber den Sprung in die große Welt wagen?
Mit sich selbst uneins, kam er zu Dr. Ralph Young, der eben seine Sprechstunde beendet hatte.
»Hallo, Hawk«, sagte Dr. Young. »Ich habe dich bereits erwartet. Jocko hat mich angerufen. Wie ich höre, stürzt du dich in die Privatpraxis und möchtest alle meine chirurgischen Fälle haben.«
»Yeah, wird wohl so sein. Der schreckliche Jocko scheint unbedingt mein Manager werden zu wollen.«
»Ich will ganz offen mit dir reden, Hawkeye«, sagte Dr. Young. »Du bist erst – wie alt bist du? Einunddreißig?«
»So ungefähr.«
»Du hast eine allgemeine Chirurgieausbildung. Wenn du dich selbständig machst, schicke ich dir jeden Patienten, den ich auftreiben kann. Aber wenn du auf deinen alten Zwanzig–Dollar–Geburtshelfer hörst, dann haust du schleunigst von hier ab. Dieses Gebiet wird aufholen. In fünf Jahren wird es geschulte Chirurgen in Spruce Harbor geben. Dann wirst du mit gleichwertigen Kollegen konkurrieren müssen. Reißt du dir aber zwei Jahre Thoraxchirurgie unter den Nagel, kann dir keiner mehr gefährlich werden. Dann kannst du als großer Facharzt hierher zurückkommen. Und dann erntest du ganz von selbst deinen Anteil an allgemeinen Operationen.«
»Genau das habe ich mir auch überlegt, Ralph«, sagte Dr. Pierce. »Aber, Herrgott, ich habe doch kaum Geld. Mit meinen einunddreißig Jahren und drei Kindern weiß ich wirklich nicht, ob Mary sich noch zwei Jahre mit Krankenhausdienst und Schulden abfindet.«
»Ich habe zwei Jahre gewartet, bis der Große Benjy Pierce die zwanzig Dollar für dich bezahlt hat.«
»Ja, du alter Gauner, und du hast Glück gehabt, sie überhaupt zu kriegen. Na schön, ich werd’s mir überlegen und geb dir dann Bescheid.«
»Also dann, Hawk.« Dr. Young schmunzelte, als Hawkeye gegangen war, und sagte sich: Der hat mich begriffen.
Hawkeye stieg in den großen braunen Chrysler, Baujahr 52, den er nach dem Koreafeldzug aus zweiter Hand gekauft hatte, und fuhr gemächlich auf Crabapple Cove und das kleine Haus am Rande der Bucht zu, wo er, Mary, Bill, Steve und Karen wohnten, nur durch eine schmale Gezeitenbucht von der Farm seines Vaters getrennt. Er wußte, daß die Kinder auf der Farm waren und Mary, die mit Schulunterricht das Familieneinkommen aufbesserte, war zu einer Tagung nach Bangor gefahren. Er war also ganz allein. Das traf sich prächtig, weil er wirklich ungestört nachdenken mußte. Er beschloß, einen Whisky zu trinken und nochmals schwimmen zu gehen.
Dr. Pierce schwenkte in die Pierce Road ein. Niemand außer den Pierces hatte jemals in diesem Teil von Crabapple Cove gelebt, und er war sich der Umgebung schärfer bewußt wie seit Monaten. Er liebte die Felder und Kiefern und Föhren längs der Küste und die Ebbe und die Flut, und er wollte niemals fort von hier. Von der Bergkuppe sah er das Hummerboot des Großen Benjy Pierce in der Wasserstraße ankern. Jenseits der Gezeitenbucht spielten seine Kinder und Neffen und Nichten im Hofe seines Vaters. Und vor seinem eigenen kleinen Haus parkte ein neuer blauer Pontiac mit Schiebedach.
Wer, zum Teufel, ist denn das? fragte er sich. »Allmächtiger Glatzkopf!« stieß er nach kurzer logischer Überlegung und einem Blick auf die Wagennummer aus Massachusetts hervor. »Der Trapper! Trapper John! Er muß es sein, weil er doch immer von blauen Pontiacs mit Schiebedach geschwärmt hat.«
Trapper war sein Freund aus dem 4077. MASH in Korea, wo Hawkeye achtzehn Monate als Chirurg stationiert gewesen war.
Er hatte Trapper erwartet, der später als er abgerüstet hatte. Nach dem Waffenstillstand war Trapper nach Okinawa geschickt worden. Als er und Duke Forrest vor fünfzehn Monaten das gemeinsame Zelt, genannt ›Der Sumpf‹ verlassen hatten, war Trapper John leicht verheult auf seinem Schlafsack zurückgeblieben. Jetzt aber hatte er die Armee überstanden und war in Grabapple Cove.
Hawkeye hatte Trapper ein Jahr lang in Korea gekannt. Aber ein Mensch an der Front und einer in der Heimat mußte nicht unbedingt ein und derselbe sein. Hawkeye sah der Begegnung mit gemischten Gefühlen entgegen. Er parkte seinen Wagen neben dem Pontiac, trat durch die Hintertür ins Haus und ging durch die Küche. Trapper saß mit einem
Weitere Kostenlose Bücher