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M: Ein Tabor Süden Roman (German Edition)

M: Ein Tabor Süden Roman (German Edition)

Titel: M: Ein Tabor Süden Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Detektei Liebergesell?«
    »Ich versprech’s dir«, sagte Süden.
    »Wirklich?«
    »Versprochen, Urgestein.«
    Zur Besiegelung wollte sie ihm einen Kuss geben. Sie traute sich aber nicht. Wie er.

    Den nächsten Tag verbrachte Süden hauptsächlich damit, seine Gesprächsnotizen vom Vorabend zu ordnen und auszuwerten. Alle halbe Stunde trat er auf den Balkon hinaus, dessen Brüstung wie die übrigen des Wohnblocks rot gestrichen war, blickte auf die Sträucher und Bäume, die im grieseligen, fahlen Licht dieses Dienstags wie abgestorben wirkten, atmete die kalte Luft ein und wünschte, er würde etwas erkennen von dem, was er sah.
    Er sah diesen Mann im Lodenmantel vor sich, Ralph Welthe – »Ralph mit ph«, hatte er im Gasthaus am Sendlinger Tor betont. Er sah ihn da sitzen und reden und wie er immer wieder mit der flachen Hand über das Revers seines braunen Sakkos strich. Keine Frage brachte Welthe aus der Ruhe. Seine Stimme – anders als im Ramersdorfer Supermarkt – verriet nicht die geringste Irritation. Phasenweise verfiel er in einen Plauderton, der nicht einmal aufgesetzt wirkte.
    Er sei, sagte Welthe, viele Jahre als Versicherungsvertreter durch Deutschland und Österreich gereist, vor einem Jahr allerdings betriebsbedingt entlassen worden und seither als Berater für diverse Firmen tätig. In München habe er nach wie vor ein winziges Ein-Zimmer-Apartment in Neuperlach, ansonsten wohne er in Neu-Isenburg bei Frankfurt in dem Haus, das seine Eltern ihm vererbt hätten, »in einer bescheidenen Doppelhaushälfte«.
    Süden sah ihm zu, wie er seine Handynummer auf einen Bierdeckel schrieb, den Kugelschreiber in die Innentasche seines Jacketts steckte und eine ernste Miene aufsetzte. Auch er, sagte Welthe und nippte an seinem Kaffee, den er nach dem ersten Bier bestellt hatte, habe schon daran gedacht, seinen Freund bei der Polizei als vermisst zu melden. Doch dann habe er sich »nicht verrückt machen wollen« und abgewartet. Wie gut er Dennings Freundin Mia Bischof kenne, wollte Süden wissen. »Nicht gut«, lautete die Antwort. Welthe habe sie einmal kurz getroffen, als sie aus Dennings Wohnung kam, »ein halbes Jahr her oder so«.
    In seinem blauen Haushemd begann Süden zu frösteln. Er ging zurück ins Zimmer, schloss die Balkontür, blieb am Fenster stehen.
    In seinen Aufzeichnungen stand, dass Welthe seinen Schulfreund vor etwa drei Wochen, »kurz nach Heilig-Drei-König«, zum letzten Mal gesehen hatte, in einem italienischen Restaurant an der Balanstraße, Ecke St.-Martin-Straße, wo sie verabredet gewesen seien. Beim Essen habe Denning keinerlei Andeutungen gemacht, »nichts, was mich hätte stutzig machen können«. Danach hatten sie keinen Kontakt mehr. Obwohl er in der vergangenen Woche täglich in der Wilramstraße vorbeigeschaut habe, sei ihm dort niemand aufgefallen, »schon gar nicht die Freundin vom Siegfried«.
    Noch in der Nacht, nach seinem Abstecher ins »Bergstüberl« zu Mia Bischof, hatte Süden bei der Telefonauskunft angerufen.
    Seit er für die Detektei arbeitete, besaß er ein Zwangshandy, das seine Chefin ihm aufgedrängt hatte und das er meist ausgeschaltet ließ. Er hing nämlich der für Edith Liebergesell reichlich verschroben klingenden Ansicht an, dass er beim Telefonieren von einem Festnetz seine Lebenszeit weniger vergeudete. In seiner Zeit als Hauptkommissar hatte er – genau wie sein Freund und Kollege Martin Heuer – nur in extremen Notfällen ein Handy benutzt. Rückschauend erinnerte er sich an keine Vermissung, die mit der Hilfe eines Mobiltelefons schneller hätte aufgeklärt werden können. Altmodisch und stur, hatten ihn seine Kollegen im Dezernat genannt. Unprofessionell und riskant nannte Edith Liebergesell sein Verhalten.
    Die Frau bei der Telefonauskunft fand keinen Eintrag unter dem Namen Welthe mit t-h in Neu-Isenburg bei Frankfurt.

    Mia Bischof war sich nicht sicher, ob sie dem von Süden beschriebenen, untersetzten Mann mit der Brille jemals begegnet war.
    Als sie gegen halb elf Uhr nachts ins »Bergstüberl« kam, war sie müde und missgelaunt, bemühte sich aber, keiner Antwort auszuweichen. Am Tresen saßen zwei Männer in Lederjacken, breitschultrig, stiernackig, die während Südens Anwesenheit kein einziges Mal ihre Plätze verließen. Dunkles Holz prägte die Kneipe. An den Wänden hingen Schwarzweißfotografien aus dem München der Vorkriegszeit, soweit Süden das in dem mickrigen Licht erkennen konnte. Vom Tresenbalken baumelte ein

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