M: Ein Tabor Süden Roman (German Edition)
damals entwischt, sein Name tauchte in Unterlagen auf, die die Kollegen in einer konspirativen Wohnung in Sendling gefunden haben. Ob der Mann tatsächlich zum inneren Kreis gehörte, wissen wir nicht. Er wurde zur Fahndung ausgeschrieben, blieb aber verschwunden.
Bis heute haben wir keine Spur von ihm. Im Verfassungsschutz geht man aber davon aus, dass er an dem geplanten Anschlag auf die Synagoge beteiligt war und seither im Untergrund weitere Aktionen plant. Eine Weile hielten die Kollegen es für denkbar, dass er auch im Umfeld der Zwickauer Terrorzelle tätig gewesen sein könnte, aber es ließen sich keine Belege finden, ganz abgesehen davon, dass niemand weiß, wo der Mann sich heute aufhält. Wir glauben allerdings nicht, dass er ins Ausland geflüchtet ist. Im Übrigen ist er nur einer von etwa vierzig Rechtsradikalen, die auf der Fahndungsliste stehen. Der Verfassungsschutz hat V-Leute in allen möglichen Kameradschaften, auch in Bayern, vor allem in Franken, wo wir viele Familien mit einem rechten oder auch rechtsradikalen Hintergrund beobachten. Deshalb schließen wir auch nicht aus, dass unser Mann in der Region lebt, absolut anonym, beschützt und finanziell unterstützt von Gesinnungsgenossen, ähnlich wie wir es bei den Zwickauern erlebt haben.«
»Der Mann hat einen Namen«, sagte Süden.
Die Preisgabe eines Namens stellte für Werthe kein Problem mehr dar, weil er davon ausging, dass die Telefonüberwachung sowohl von Südens Handy und Festnetz als auch der Apparate in der Detektei Liebergesell mittlerweile richterlich genehmigt worden war. »Der Mann heißt Karl Jost, Ende vierzig. Er war schon in den Neunzigern in der rechten Szene unterwegs, gründete Freie Netzwerke und lebte immer wieder in Berlin, wo er zweimal wegen Körperverletzung auf Bewährung verurteilt wurde. Seit etwa zehn Jahren fehlt jede Spur von ihm. Wir glauben nun, jemanden gefunden zu haben, der uns zu ihm führen könnte, und wir glauben auch, dass die Kameradschaft München Süd-Ost und das landesweit agierende Freie Netz Süd neue Anschläge planen, gewalttätige, militante Aktionen, die weit über die üblichen Demos und martialischen Auftritte hinausgehen. Wir beobachten eine der Burschenschaften in der Stadt, bei der gelegentlich braune Schläger Unterschlupf finden. Und wir stellen fest, dass besonders auf dem Land viele junge Leute für ausländerfeindliche Parolen und rechtes Gedankengut aufgeschlossen sind. Die Kameradschaften haben da oft leichtes Spiel.«
Süden sagte: »Und das Spiel ist nicht zu verhindern.«
»In Maßen. Wir können nicht überall gleichzeitig sein. Aber wir sind auf einem guten Weg. Wie gesagt, wir haben Kontakt zu einer Person, die Karl Jost gut kannte und uns früher oder später zu ihm und seinen Kameraden führen wird. Möglicherweise schon bald. Falls niemand uns dreinpfuscht und unsere mühsam aufgebauten Kontakte torpediert.«
»Siegfried Denning ist ein verdeckter Ermittler.«
»Darüber gebe ich keine Auskünfte.«
»Und Sie sind sein V-Mann-Führer«, sagte Süden. »Und Sie haben keine Ahnung, was mit ihm passiert sein könnte.«
»Wir suchen nach ihm und wir werden ihn finden.«
»Wir auch. Wer ist die Zielperson?«
Welthe trank seinen Kaffee, der kalt geworden war. Er nestelte an seiner Brille, schaute auf die Uhr. »Josts ehemalige Frau. Mia Bischof.«
Süden schwieg. Er dachte an so vieles gleichzeitig.
»Jetzt«, sagte Welthe, »wird Ihnen klar, warum dies nicht Ihr Fall ist, sondern unserer, und warum Sie den Auftrag, den Frau Bischof Ihnen erteilt hat, ab sofort ruhen lassen müssen. Ich darf Ihnen mitteilen, dass wir bis zum heutigen Zeitpunkt Frau Bischof nicht zum rechten Umfeld ihres Ex-Mannes zählen. Sie verhält sich absolut unauffällig, sie arbeitet, wie Sie wissen, bei einer Tageszeitung und engagiert sich ehrenamtlich in ihrem Stadtviertel Neuhausen. Ihr Vater besitzt ein Hotel in Starnberg, das zeitweise in Verruf geraten war, weil angeblich Funktionäre der NPD dort abgestiegen sind. Nach den Ermittlungen der örtlichen Polizei und meiner Behörde haben solche Treffen in dem Hotel tatsächlich stattgefunden, jedoch ohne Wissen des Besitzers. Vorfälle dieser Art sind seither nicht mehr gemeldet worden.
Was ich von Ihnen wissen möchte, ist: Hat Frau Bischof Ihnen oder Frau Liebergesell gegenüber Andeutungen gemacht, wo Siegfried Denning sich aufhalten könnte? Jedes Detail könnte uns helfen. Ich war sehr offen zu Ihnen und darf erwarten, dass Sie es
Weitere Kostenlose Bücher