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M: Ein Tabor Süden Roman (German Edition)

M: Ein Tabor Süden Roman (German Edition)

Titel: M: Ein Tabor Süden Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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die Hälfte des Zimmerbodens bedeckte, hatte sie nicht einmal Schritte gehört.
    »Möchten Sie einen Cognac?«, fragte Geiger.
    Patrizia schüttelte den Kopf, was angesichts des Aufruhrs in ihrem Innern keine gute Idee war.
    »Ihren Namen bitte.«
    Sie wunderte sich, dass er nicht schon früher danach gefragt hatte. Auch jetzt klang seine Bemerkung nicht drängend, obwohl sie genau so gemeint war, daran hatte sie keinen Zweifel. Ihren Ausweis hatte sie zu Hause vergessen, ihr Handy war ausgeschaltet. Sie überlegte, was sie antworten sollte.
    Sie sagte: »Erst möchte ich auch was wissen. Wieso hat der Typ mich zusammengeschlagen?«
    »Hören Sie mir denn nicht zu? Wir haben wichtige Gäste im Haus, und er hielt sie für einen Eindringling.«
    »Ich war Gast an der Bar.«
    Geiger zupfte, wie gedankenverloren, an den schwarzen Haaren der Perücke. »Selbstverständlich. Aber wieso in meinem Haus? Die Stadt ist voller Bars und Lokale. Wen wollten Sie treffen? Was suchen Sie bei uns?«
    Sie hielt seinem Blick nicht stand. Doch den Anblick des Militaristen auf dem Bild hinter Geiger ertrug sie erst recht nicht. Sie starrte die versilberte Standuhr auf dem Schreibtisch an und musste an den antiken Globus aus Holz denken, den ihre Chefin auf ihrem Tisch stehen hatte. »Der Kerl hätte mich fragen können, statt gleich zuzuschlagen. Was ist der? Ihr Bodyguard?«
    »Wie es scheint, geht es Ihnen besser.« Im nächsten Moment schlug Geiger mit der flachen Hand so fest auf die Tischplatte, dass Patrizia von dem unerwarteten Knall zusammenzuckte, den Eisbeutel mit dem Handtuch fallen ließ und aufsprang, als hätte sie einen Befehl erhalten. Als Geiger zum zweiten Mal auf sie zukam – sie hatte nicht bemerkt, dass er überhaupt aufgestanden war –, rechnete sie mit einem Faustschlag, der ihr Gesicht zertrümmern würde.
    Doch wie im Tiefgeschoss hielt Geiger einen Schritt vor ihr inne und sah sie an, ohne dass seine Augen verrieten, was in ihm vorging. Trotz seines heftigen Ausbruchs wirkte er kontrolliert. Keine Spur von übermäßiger Wut in seiner Stimme. Patrizia konnte nicht anders, als seinen rechten Zeigefinger anzustarren, den er vor ihr hob und der sich nicht bewegte, während er redete. »Ich habe mich sehr entgegenkommend verhalten, ich habe mich sogar entschuldigt, obwohl das nicht nötig gewesen wäre. Hören Sie mir zu?«
    Sie hörte ihm zu, aber das Dröhnen in ihrem Kopf verhinderte jedes Zeichen einer Zustimmung. Sie stand da, ihr Blick wie paralysiert von dem knochigen farblosen Finger.
    »Ich habe Sie etwas gefragt.«
    Endlich gelang ihr ein Räuspern. Dann bildete sie sich ein, Geiger hätte sich bewegt und käme noch näher, was nicht stimmte. Sie hauchte ein mickriges Ja. Seit der Schulzeit, seit der ersten Klasse in der Grundschule, als ein Lehrer namens Gabelsberg sie und andere Mädchen mit strenger Stimme und abschätzigen Blicken für jedes winzige Fehlverhalten zur Rechenschaft gezogen hatte, hatte sie nie mehr vor einem Menschen gestanden, dessen Autorität die Luft aus ihr sog wie aus einem Luftballon, bis nur noch eine verschrumpelte Hülle von ihr übrig blieb. Sie fühlte sich nutzlos und misshandelt und klein. In der unmittelbaren Nähe dieses Mannes empfand sie eine monströse Feigheit, die ihren Körper, ihr Hirn lähmte und sie so sehr beschämte, dass sie lauthals schreien würde, hätte sie noch eine Stimme im Mund und nicht bloß den Schatten einer Stimme. Zwanghaft dachte Patrizia immer wieder den Namen Gabelsberg, obwohl sie seit einer Ewigkeit nicht mehr an den Lehrer gedacht hatte.
    »Danke«, sagte Geiger. Sie wusste nicht mehr, wofür er sich bedankte. »Nun kommen wir zur Wahrheit. Wie ist Ihr Name?«
    Sie brachte keinen Ton heraus.
    »Machen Sie das alles nicht noch viel schlimmer. Ihren Namen jetzt.«
    Woher ihre Stimme kam, begriff sie nicht. »Roos. Roos, Patrizia.«
    »Gut gemacht.« Geiger ließ seine Hand sinken, und Patrizia folgte der Bewegung mit einem trägen Blick. »Frau Roos. Wen haben Sie ausspioniert? Wer ist Ihr Auftraggeber? Seien Sie ehrlich, bitte.«
    Sie schwankte. Sie musste dringend aufs Klo. Das Bedürfnis überkam sie mit einer Wucht, auf die sie nicht vorbereitet war. Wenn sie nicht sofort ging, würde sie sich in die Hose machen – wie damals, fiel ihr ein, in der Grundschule. Daran musste sie plötzlich denken, und ihr Drang wurde unerträglich. »Ich muss …« Sie öffnete mehrmals den Mund, ehe sie den Satz zustande brachte. »Ich muss wohin,

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