M: Ein Tabor Süden Roman (German Edition)
würde gern noch in diesem Februar den Aktionsbund Starnberg-Weilheim beschließen und die ersten Unternehmungen planen. Vorträge über unser Brauchtum, ganzheitliche Lebensführung, Ausflüge organisieren und Ähnliches. Halten Sie es für möglich, dass wir dafür noch ein Wochenende finden oder wenigstens zwei Tage? Der Bund bedeutet ihr viel, und mir inzwischen auch, muss ich zugeben. Es ist immer wieder eine Ermutigung durch und durch, mit Mia Dinge anzupacken und in die Tat umzusetzen. Ich muss oft an den schönen St.-Martins-Umzug vor zwei Jahren denken, so viele Kinder und Mütter, und unsere Zwergenpost wurde uns praktisch aus der Hand gerissen.«
»Das war ein wahrer Erfolg von Ihnen allen«, sagte Geiger. »Einen Termin für den Aktionsbund finden wir auf jeden Fall, Frau Burg, darauf können Sie sich verlassen. Sehen Sie meine Tochter jetzt noch?«
»Das glaube ich nicht. Sie ist bestimmt noch mit der jungen Frau beschäftigt.«
»Ich hoffe, sie verlässt das Haus bald und kommt nicht wieder. Bis morgen früh, Frau Burg.« Er nickte ihr zu und schloss die Tür. Ines Burg fragte sich, was er so spät noch in seinem Büro zu erledigen hatte. Er war ein unermüdlicher, selbstbewusster, unbeugsamer Mensch, das bewunderte sie an ihm. Dagegen war ihr Ex-Mann geradezu ein Wurm.
Sie wollte keinen Bodensee-Obstler mehr trinken. Mia stieß schon wieder mit ihr an, also schüttete sie den Schnaps in sich hinein wie an der Bar im Grizzleys nach Dienstschluss, wenn der Abend gut gelaufen war und draußen die Sonne aufging.
Ihr war wieder schwindlig. Nicht so schlimm, dass sie befürchtete, sie müsse sich übergeben. Ihre Gedanken drehten sich bloß zu schnell.
Außerdem lief Mia in dem kleinen Zimmer ständig auf und ab, und Patrizia kam mit dem Schauen kaum hinterher. Das Zimmer bestand aus einem Einzelbett, einem Schrank in hellem Holz, einem runden Tisch, auf dem mehrere Tageszeitungen lagen, einem Fernseher auf einem Regal, und zwei bequemen Sesseln aus den fünfziger Jahren. Nebenan war das Bad mit Dusche und Toilette. Keine Bilder an den Wänden. Nur an der Tür hing ein gelbstichiges, knitteriges Filmplakat in Schwarzweiß, das ein in einer Wiese sitzendes und einen Hasen streichelndes Mädchen mit Zöpfen zeigte, im Hintergrund ein geschmücktes Bauernhaus vor einem Bergpanorama. In weißer, wie von Kinderhand gemalter Schrift, verlief der Titel quer über das Bild: »Grete hieß mein Häschen«. Ein kitschigeres Motiv hatte Patrizia lange nicht mehr gesehen. Sie schaute immer noch hin, während Mia bereits wieder am anderen Ende des Zimmers auftauchte.
»Könntest du dich mal hinsetzen?«, sagte Patrizia, bemüht, nicht zu lallen.
»Du hast ein falsches Bild von mir.« Mia Bischof schien nicht zugehört zu haben. »Deswegen erklär ich dir das jetzt.«
»Okay«, sagte Patrizia, obwohl sie etwas ganz anderes sagen wollte, auch wenn sie nicht genau wusste, was. Etwas stimmte mit dem Obstler nicht. Oder mit ihr? Sie fläzte sich in den Sessel und bemerkte nichts von dem, was die Tochter des Hauses vor ihren Augen tat.
Mia hatte keine Eile. Sie hatte noch nicht entschieden, ob es tatsächlich klug war, die junge Detektivin schon heute aus dem Weg zu räumen. Vielleicht hatten Patrizia und ihre Kollegen doch eine Spur zu Siegfried gefunden, und er kehrte wohlbehalten wo immer her zurück, und sie wäre von diesem Alpdruck befreit, der sie keine Nacht mehr ruhig schlafen ließ.
Ihr Vater hatte sie bestimmt nicht beauftragt, sich um Patrizia zu kümmern, ohne von ihr eine Entscheidung zu erwarten. Ihr war immer noch nicht klar, welcher Plan Patrizia ins Hotel geführt hatte. Woran Mia jedoch nicht mehr den geringsten Zweifel hatte und was sie jeden Tag von neuem in rasenden Zorn versetzte, war, dass der hirnrissige Überfall auf den alten Mann all das gefährden könnte, was sie fast zwei Jahrzehnte lang in teilweise ausbeuterischer Hingabe aufgebaut hatte.
Wahrscheinlich, dachte sie und schob das Fläschchen mit der farblosen Flüssigkeit, von dem ihre Besucherin keine Notiz nahm, auf dem Fensterbrett zwischen den Gläsern und Medikamentenschachteln hin und her, wäre es vernünftiger, erst einmal ihren durchgeknallten Ex-Mann zu exekutieren. Jeder Gedanke an ihn entfachte in ihr einen himmelhoch lodernden Hass.
»Mir ist irgendwie merkwürdig«, sagte Patrizia.
»Ich will wissen, was du hier wolltest.«
»Einen … einen Ehemann beschatten.«
»Deinen?«
»Was?«
»Du lügst.«
»Ich lüge
Weitere Kostenlose Bücher