Mabel Clarence 03 - Schatten ueber Allerby
wird das Schloss aufschießen.“
„Hören Sie auf! Sie könnten Mabel gefährden. Sie haben den Irren doch gehört!“
Victor! Er ist da, dachte Mabel erleichtert. Er hatte sie nicht im Stich gelassen, trotzdem war sie alles andere als gerettet. Unter Aufbietung aller Kräfte gelang es ihr, den Mund zu öffnen und Larry in die Hand zu beißen. Als er diese mit einem Schmerzenslaut von ihrem Gesicht löste, schrie sie, so laut sie konnte: „Hier bin ich! Er hat ein Messer …“
„Du Miststück!“
Die Ohrfeige traf Mabel unerwartet, und sie stürzte rücklings zu Boden. Der Schmerz des Aufpralls nahm ihr beinahe die Luft. Larry war sofort über ihr, riss ihren Kopf an den Haaren hoch und die Spitze der Messerklinge bohrte sich in ihren Hals. In diesem Moment ertönten Schüsse – zwei, drei Mal –, dann sprang die Tür auf. Mabel fühlte einen wahnsinnigen Schmerz und etwas Feuchtes, Warmes lief über ihren Hals. Dann spürte sie gar nichts mehr.
18. Kapitel
„Ich glaube, sie kommt zu sich.“
Mabels Lider flatterten. Mühsam öffnete sie die Augen, aber sie sah nur dichten grauen Nebel. Ein konturloser Schatten löste sich aus der wabernden Masse, etwas Warmes strich über ihre Hand, und wie aus weiter Ferne hörte sie jemanden sprechen, konnte sich aber selbst nicht bemerkbar machen.
„Bleiben Sie ganz ruhig liegen, Miss Clarence. Sie sind in Sicherheit, und wir tun alles, damit Sie bald wieder gesund sind. Sie müssen aber mithelfen und leben wollen.“
Ein anderer Schatten sagte: „Soll ich alles für eine weitere Transfusion vorbereiten?“
„Ja, Schwester, wir müssen alles versuchen.“
Mabel kannte solche Worte. Obwohl sie sehr müde und schwach war, wusste sie, dass ein Arzt zu ihr gesprochen hatte und sie keinesfalls außer Lebensgefahr war. Bevor sie aber darüber nachdenken konnte, was geschehen war, verlor sie wieder das Bewusstsein.
Für Victor dehnten sich die Tage endlos. Er hatte die Praxis geschlossen, und es interessierte ihn nicht, dass man Angela Thorn, oder vielmehr Angela El-Said, gefasst und sie ein umfassendes Geständnis abgelegt hatte. Der Polizei war es gelungen, sie in Southampton zu stellen, als sie gerade ein Schiff hatte betreten wollen.
Victors Gedanken drehten sich unablässig um Mabel, die mit dem Tod rang. Sie hatte viel Blut verloren, und nur der raschen Reaktion von Sergeant Bourke, der sein Taschentuch sofort fest auf die Wunde gepresst hatte, war es zu verdanken, dass Mabel nicht in dem Keller unter den Räumen von Allerby House gestorben war. Noch im Notarztwagen, der glücklicherweise binnen kurzer Zeit vor Ort gewesen war, hatte Mabel die erste Bluttransfusion erhalten. Als gewissenhafte Krankenschwester hatte sie einen Blutspendeausweis in ihrem Geldbeutel gehabt, der sich in ihrer Jackentasche befunden hatte. Da Victor die gleiche Blutgruppe hatte – B, Rhesusfaktor positiv –, hatte er sich sofort bereit erklärt, an Ort und Stelle Blut zu spenden, denn bis sie das Krankenhaus in Bodmin erreicht hätten, wäre es wahrscheinlich zu spät gewesen. Stundenlang hatte Victor im Krankenhaus gewartet und Unmengen von Kaffee getrunken, bis Alan ihn schließlich hatte überzeugen können, nach Hause zu gehen.
„Wir können nur abwarten und hoffen.“ Kameradschaftlich hatte er Victor auf den Rücken geschlagen. „Mabel ist hart im Nehmen und zäh, sie wird es schaffen.“
Seit zwei Tagen verharrte Victor nun neben dem Telefon. Da Mabel keine Angehörigen in England hatte, hatte er die Ärzte gebeten, ihn zu informieren, wenn sich ihr Zustand ändern sollte. Alan hatte Emma und George Penrose informiert und auch Lady Abigail in Frankreich angerufen. Mabels Cousine war geschockt gewesen zu hören, was vorgefallen war, hatte aber bisher leider nicht nach Cornwall kommen können, da sie mit einer Magen-Darm-Grippe ans Bett gefesselt war. Alan hatte versprochen, sie auf dem Laufenden zu halten und rief sie täglich an.
„Sobald es Lady Abigail besser geht, will sie kommen, sofern Mabel dann nicht schon über den Berg ist“, hatte er Victor berichtet.
„Mabel hätte sich gewünscht, ihre Cousine unter anderen Umständen wiederzusehen.“
„Warte es ab, Onkel Victor, es wird nicht nötig sein.“ Alans Worte waren von einem bekräftigenden Nicken begleitet worden. „Bald bringt Mabel deinen Haushalt wieder auf Vordermann, und du wirst dich beklagen, weil du nichts mehr findest.“
Zum ersten Mal wurde Victor bewusst, dass ihm
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