Mabel Clarence 03 - Schatten ueber Allerby
nun saßen sie zu fünft – Warden, Alan, Victor, Sergeant Bourke und sie – in Mabels gemütlichem Wohnzimmer. Alan zeigte überraschend gute hausmännische Qualitäten. Nur den Kuchen hatte er nicht selbst gebacken, sondern aus einer Bäckerei mitgebracht.
„Wie haben Sie mich überhaupt gefunden?“, stellte Mabel ihre erste Frage, nachdem alle einen Schluck Tee getrunken hatten. „Larry Dean meinte, der Keller wäre ein Geheimversteck und niemand außer ihm und Angela hätte davon gewusst, auch die Carter-Joneses nicht.“
Warden grinste und deutete zu Christopher Bourke. „Das haben Sie meinem Sergeant zu verdanken. Oder vielmehr seinem Pubbesuch am Vorabend.“
„Das verstehe ich nun nicht so ganz.“ Mabel runzelte die Stirn, und Bourke grinste verlegen.
„Nun ja, am Abend vorher feierte mein Cousin seinen Geburtstag im Sailors’ Rest. Da es ein runder war – er wurde Dreißig –, ging es hoch her und ich kam erst sehr spät, oder vielmehr früh, ins Bett. Als der Chefinspektor mich zu nachtschlafender Zeit anrief und meinte, wir müssten unverzüglich nach Allerby, hätte ich ihn am liebsten verflucht.“ Er warf einen Seitenblick zu Warden. „Nichts für ungut, Sir, aber es wäre schließlich mein freier Tag gewesen, sonst hätte ich auch nicht so lange und ausgiebig gefeiert. Langer Rede kurzer Sinn: Während Chefinspektor Warden die Anwesenden nach Ihrem Verbleiben befragte, lehnte ich mich so unauffällig wie möglich gegen ein Bücherregal, denn ich konnte vor Müdigkeit kaum noch stehen. Plötzlich gab das Regal hinter mir nach und ich fiel beinahe rücklings eine Steintreppe hinunter. Das Regal war der Eingang zu einem dunklen modrigen Gang.“
„Von dessen Existenz weder Jane Carter-Jones noch ihr Bruder etwas wussten“, warf Warden ein. „Da ich durchaus die Meinung von Mr Daniels und Mr Trengove teilte, dass Sie nicht ohne Grund spurlos verschwunden waren, Miss Clarence, war es mehr als eine Ahnung, dass wir in diesem Geheimgang fündig werden würden. Der Gang führte in einen Teil des Kellers, der vor langer Zeit von dem heute noch benutzten abgetrennt und der offizielle Zugang zugemauert worden war. Den Rest kennen Sie ja.“
Bei der Erinnerung an die schlimmsten Stunden ihres Lebens begann Mabel zu frösteln, obwohl es im Raum angenehm warm war. „Wahrscheinlich entdeckte Angela den Geheimgang ebenfalls zufällig“, kombinierte sie. „Was hatte sie mit Larry und mir eigentlich vor? Wollte sie uns wirklich da unten verhungern und verdursten lassen?“
Randolph Warden sah Mabel ernst an und nickte langsam. „Es erschien ihr die beste Möglichkeit, Sie für immer zum Schweigen zu bringen, ohne sich selbst die Hände schmutzig zu machen. Larry wollte sie nicht schon wieder benutzen, um Sie zu töten, und auch ihn musste sie loswerden. Schließlich hatte er Mahmoud El-Said getötet, weil er glaubte, Angela wäre dann für ihn frei.“
Mabel räusperte sich, aber das unangenehme Kratzen im Hals blieb. Es würde ihr noch einige Wochen lang Probleme bereiten. Heute jedoch wollte sie alles wissen.
„Am besten erzählen Sie von Anfang an“, forderte sie Warden auf. „Mir ist so gut wie klar, dass Angela den Liebhaber von Michelle Carter-Jones heiratete, damit dieser sich legal in England aufhalten konnte. Warum jedoch tötete sie zuerst Michelle und dann ihren Mann? Das ergibt alles keinen Sinn.“
„Ja, das würde mich auch interessieren“, bemerkte Victor, und Alan stimmte nickend zu.
Warden und Bourke tauschten einen langen Blick.
„Tja, der Tod von Lady Michelle war wirklich Suizid.“
„Das kann nicht sein!“, rief Mabel aufgeregt.
Warden hob beruhigend die Hand. „Sie dürfen nicht so schreien, Miss Clarence, das tut Ihrem Hals nicht gut. Außerdem sollten Sie mich ausreden lassen. Es stimmt schon, dass Michelle Carter-Jones sich nicht einfach so das Leben genommen hat, sondern es gab einen ernsthaften Grund. Sie glaubte nämlich, sich bei ihrem Liebhaber mit dem HI-Virus angesteckt zu haben und dass die schreckliche Krankheit bereits ausgebrochen war.“
Nun verstand Mabel gar nichts mehr. „Aber wieso? Michelle war nicht infiziert.“ Sie hatte Warden bereits von ihrem Gespräch mit Doktor Watts berichtet.
Der Chefinspektor schnaubte verächtlich. „Was jetzt kommt, klingt wie eine Szene aus einem Schmierentheater. Angela El-Said hat uns jedoch alles so erzählt, dabei war sie sogar stolz auf ihren Plan. ‚Perfekt‘ nannte sie ihn,
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