Mabel Clarence 03 - Schatten ueber Allerby
ich nenne ihn aber schlicht und einfach ‚krank‘. Am besten erzähle ich Ihnen von Anfang an, was Angela gestand und was unsere eigenen Ermittlungen zutage gebracht haben.“
„Ich bitte darum“, sagte Mabel in gespannter Erwartung.
„Also, während ihres Urlaubs in Ägypten lernte Lady Michelle diesen Mann kennen – Mahmoud El-Said. Er arbeitete als Servicekraft in der Ferienanlage, in der sie gebucht hatte. Sofort machte er ihr schöne Augen, und Lady Michelle erlag recht schnell seinem Charme. Sie war eine junge, gesunde Frau mit … gewissen Bedürfnissen, seit dem Unfall ist Captain Douglas jedoch … also, er ist nicht mehr in der Lage …“ Warden errötete, senkte verlegen den Kopf und brach ab.
„Ich weiß, was Sie meinen“, sagte Mabel mit einem Lächeln. „Sie brauchen das nicht weiter auszuführen, wenn es Ihnen peinlich ist.“
„Ist mir nicht peinlich“, murrte Warden, räusperte sich und fuhr dann fort: „Offenbar liebte Lady Michelle ihren Mann aufrichtig, wollte aber auf gewisse … Zärtlichkeiten von El-Said nicht mehr verzichten. Die Haushälterin Angela Thorn war längst mehr eine Freundin als eine Angestellte für sie, denn Angela war neben Douglas Carter-Jones die Einzige, die Lady Michelle vorbehaltlos begegnet war, als diese nach Allerby gekommen war. Außerdem waren die Frauen fast im selben Alter. Da Lady Michelle mit jemandem über den Zwiespalt, in dem sie steckte, sprechen musste, vertraute sie sich der Haushälterin an. Gemeinsam – so stellt es Angela dar – schmiedeten sie den Plan, El-Said nach England kommen zu lassen, wo Angela ihn heiraten sollte, damit er eine Aufenthaltsgenehmigung bekam. Das tat Lady Michelle aber nicht nur, um ihren Liebhaber in der Nähe zu haben, sondern auch, um El-Said zu helfen, Ägypten verlassen und von England aus seine Familie unterstützen zu können.“
„Eine Scheinehe also“, warf Victor ein. „Angela ist dafür sicher gut bezahlt worden, nicht wahr?“
Warden nickte. „Allerdings verwendete sie das Geld nicht für sich selbst, sondern für ihre Familie. Ihre jüngste Schwester, gerade elf Jahre alt, leidet an Leukämie und von dem Geld, das Lady Michelle ihr für diesen Freundschaftsdienst bezahlte, finanzierte Angela eine kostspielige Therapie in den USA.“
„Na, das macht sie ja beinahe ein wenig sympathisch“, bemerkte Alan sarkastisch. „Warum dann aber der Mord und wieso musste Michelle Carter-Jones sterben?“
„Ich glaube, ich ahne es“, meinte Mabel nachdenklich. „Angela verliebte sich ebenfalls in den Ägypter und wollte nicht länger nur auf dem Papier seine Frau sein.“
Warden sah Mabel anerkennend an. „Richtig, Miss Clarence. Ich sollte Sie vielleicht mal zu Pferderennen befragen bei dem guten Gespür, das Sie haben. Nun ja, manchmal wenigstens.“ Er wurde wieder ernst. „El-Said erwiderte Angelas Gefühle nicht. Lady Michelle war seine große Liebe, auch wenn sie an einen anderen Mann gebunden war. Vor etwa drei Monaten bekam er eine so heftige Bronchitis, dass er stationär behandelt werden musste, um eine Lungenentzündung zu verhindern. Dabei wurde der HI-Virus in seinem Körper festgestellt. Natürlich informierte Angela sofort Lady Michelle und hoffte, sie würde nun mit El-Said Schluss machen, aber weit gefehlt. Offenbar empfand Lady Michelle inzwischen auch tiefere Gefühle, außerdem fühlte sie sich für ihn verantwortlich. Allerdings befürchtete sie, sich ebenfalls infiziert zu haben. Angela schlug vor, sie möge unter ihrem Namen einen Arzt außerhalb Cornwalls aufsuchen, wo man sie nicht kannte. Der Skandal, wenn bekannt geworden wäre, Lady Carter-Jones unterziehe sich einem Aids-Test, wäre unbeschreiblich gewesen, ganz davon abgesehen, wie Captain Douglas reagiert hätte.“
„Die Ärzte haben doch Schweigepflicht“, unterbrach Victor ihn, aber Mabel schüttelte sofort den Kopf.
„Das schon, Victor, aber wir wissen doch alle, dass manche Dinge eben trotzdem irgendwie bekannt werden.“
„Da haben Sie leider recht“, sagte Warden. „Aber nun wollen wir mit unserer Geschichte fortfahren. Lady Michelle ließ sich also in Plymouth untersuchen. Wie wir heute wissen, war der erste Test negativ, was Angela auch ordnungsgemäß per Einschreiben mitgeteilt wurde. Sie wurde allerdings aufgefordert, sich einige Wochen später einem erneuten Test zu unterziehen, da die Innubat… äh …“
„Inkubationszeit“, sprang Mabel in die Bresche. „Das ist die Zeit zwischen
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