Mabel Clarence 03 - Schatten ueber Allerby
der Zeit würde sie nach Lower Barton fahren. Bei der Gelegenheit könnte sie auch gleich nach ihrer Katze schauen, obwohl sie wusste, dass Lucky von den Nachbarn gut versorgt wurde.
Mabel war erst einen Tag von zu Hause fort und vermisste jetzt schon ihre gewohnte Umgebung. Der Wunsch, Michelles Tod aufzuklären, war indes stärker, daher würde sie auf Allerby ausharren, bis sie konkrete Beweise gefunden hatte.
7. Kapitel
Jane Carter-Jones ließ keinen Zweifel daran, wer in Allerby House das Sagen hatte, und beobachtete mit Argusaugen Mabels Arbeit.
„Lass es gut sein, Jane!“, sagte Lord Douglas, als sie auch nach vier Tagen noch jeden Morgen dazukam, wenn Mabel ihm beim Waschen und Anziehen behilflich war. „Miss Mabel kümmert sich ausgezeichnet um mich. Ich bin sehr dankbar für ihre Hilfe, und wir kommen ausgezeichnet miteinander aus. Du hast bestimmt etwas anderes zu tun, nicht wahr, Jane?“
Ob dieser Rüge – und das auch noch vor einer Angestellten, denn nichts anderes war Mabel Lady Janes Ansicht nach – wurden ihre Lippen zu einem schmalen Strich. „Etwas mehr Dankbarkeit könnte ich wohl erwarten“, zischte sie. „Allerby würde es heute längst nicht mehr geben, wenn ich nicht …“
„Ich weiß“, unterbrach Lord Douglas sie und hob die Hand, seine Mundwinkel zogen sich nach unten. „Ich werde auch nie vergessen, wie selbstlos du einst warst. Du musst mir aber nicht immer wieder vorhalten, was aus mir und Allerby geworden wäre, wenn du dich damals anders entschieden hättest.“
Mabel tat, als interessiere sie das Gespräch nicht, dabei lauschte sie aufmerksam. Sie war zwar ein wenig peinlich berührt, Zeugin dieser Szene zwischen den Geschwistern zu werden, andererseits wollte sie alles wissen, was mit den Bewohnern von Allerby House zusammenhing. Seit sie Jane Carter-Jones kennengelernt hatte, spürte sie, dass die Frau ihren acht Jahre jüngeren Bruder beinahe als ihr Eigentum betrachtete, weil sie ihn nach dem Tod der Eltern aufgezogen hatte.
Lady Janes Wangen färbten sich rot, als sie verärgert zischte: „Ich möchte nur, dass es dir gut geht, Douglas, und das nicht wieder so etwas geschieht wie … Na, du weißt schon. Vor drei Jahren habe ich dir gesagt, dass es nicht gut gehen kann, du wolltest aber nicht auf mich hören. Jetzt siehst du, wohin dein Starrsinn dich geführt hat.“
Aus den Augenwinkeln bemerkte Mabel, wie sich Lord Douglas’ Finger um die Räder des Rollstuhls krampften, damit er nicht die Selbstbeherrschung verlor.
Seine Stimme klang resigniert, als er leise sagte: „Ich wäre dir sehr dankbar, wenn du uns jetzt allein lassen würdest.“
Lady Jane zögerte, warf einen Blick auf Mabel, dann drehte sie sich um und verließ mit zusammengepressten Lippen das Zimmer. Lord Douglas sah Mabel entschuldigend an und fühlte sich wohl zu einer Erklärung genötigt, obwohl Mabel nur die Kissen aufschüttelte, das Bett richtete und kein Wort sagte.
„Sie hat ihr eigenes Glück zurückgestellt, um sich um mich zu kümmern“, bemerkte er leise. „Als unsere Eltern starben, war Jane verlobt und stand kurz vor ihrer Hochzeit, während ich noch ein Kind war. Sie entschied sich aber dafür, Allerby House und mich nicht im Stich zu lassen, und löste die Verlobung.“
„Wäre nicht beides möglich gewesen?“, fragte Mabel nun doch und trat zu ihm. „Verzeihen Sie, Captain, das geht mich nichts an und ich möchte nicht neugierig wirken, aber …
Er winkte ab. „Sie gehören jetzt zu diesem Haushalt und früher oder später würden Sie es ohnehin erfahren. Auftritte wie eben“, er sah Mabel resigniert an, „werden wahrscheinlich häufiger vorkommen.“
„Es war doch selbstverständlich, dass sich Ihre Schwester um Sie kümmerte; das hätte sie als verheiratete Frau aber auch tun können“, sagte Mabel. „Oder wollte ihr Zukünftiger kein Kind in seinem Haus?“
„Eigene Kinder schon, wohl aber keinen elfjährigen Jungen, der vom plötzlichen Tod der Eltern traumatisiert war.“ Lord Douglas schnaubte bitter. „Janes Verlobter lebte in Neuseeland. Sie hätte England verlassen und Allerby House verpachten, wenn nicht sogar verkaufen müssen. Unsere Eltern waren noch jung, als sie bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kamen. Da niemand gedacht hatte, dass mein Vater das Anwesen nicht selbst führen würde, bis ich alt genug wäre, es zu übernehmen, hatte er keine Vorkehrungen getroffen, und weitere Verwandte gab es nicht.“
„Also
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