Macabros 002: Fluch der Druidin
entseelte Irin
beugte.
Kiuna Macgullyghosh schlug ihre Zähne in den weißen
Hals von Nyreen Matobish und schlürfte ihr Blut.
Der Fluch der Druidin sollte sich erfüllen.
*
John MacCarthy hielt den Atem an, als er um die Biegung kam und
den schwachen flackernden Kerzenschein vor sich sah.
Der Anwalt näherte sich der halboffenstehenden Tür, warf
einen Blick durch den Spalt.
Das erste, was er sah, waren zwei schlanke Beine. Ausgestreckt lag
Nyreen Matobish auf dem Boden.
Jemand beugte sich über sie. Ein Fremder in einem grauen
Umhang.
Mit wem steckte Nyreen Matobish unter einer Decke?
Hatte sie sich hier mit jemandem verabredet? Gab es die
Schatzkiste hier hinten in diesem abseits gelegenen Raum?
John MacCarthy wollte es genau wissen.
Lautlos blies er seine Kerze aus, ließ das heiße Wachs
zu Boden tropfen und nahm den eisernen Kerzenleuchter umgedreht als
Waffe in die Hand. Für alle Eventualitäten.
Er passierte den Türspalt auf Zehenspitzen.
Er setzte zum Sprechen an. Aber kein artikulierter Laut kam
über seine Lippen.
Seine Augen traten aus den Höhlen, als die Gestalt in dem
grauen Umhang sich langsam umdrehte und der Totenschädel ihn
angrinste.
Blut klebte an den gefletschten Zähnen.
Kiuna Macgullyghosh richtete sich zu voller Größe
auf.
»Neeein!« John MacCarthys Lippen verzogen sich im
Krampf.
Kiuna Macgullyghosh streckte ihre knochige Rechte nach ihm
aus.
Der Anwalt wich zurück. Scheppernd knallte der eiserne
Kerzenleuchter auf den felsigen Boden, als er MacCarthys zitternden
Fingern entfiel.
In seiner Panik verwechselte MacCarthy links mit rechts. So wurde
er von der Druidin in die Ecke neben der Tür gedrängt.
Der Fluchtweg war ihm abgeschnitten.
Das furchterregende Skelett stieß gegen die Tür und
drückte sie zu.
Kalter Schweiß brach John MacCarthy aus allen Poren.
Der Anwalt tastete sich an der rauhen, kalten Wand entlang und
ließ das Skelett nicht aus den Augen.
Er stieß mit dem Rücken gegen den Stuhl, ging darum
herum, umfaßte die Lehne und riß den Stuhl mit einem
wilden Aufschrei hoch.
Dann schlug er zu.
Der Stuhl traf die unheimliche Hexe mit voller Wucht.
Die Lehne krachte Kiuna Macgullyghosh auf den Schädel. Die
Kapuze flog zurück, gab den Totenkopf mit den farblosen Haaren
frei.
Es krachte und knirschte.
Die Stuhllehne zersplitterte, das morsche, trockene Holz zerfiel
in seine Einzelteile. Kiuna Macgullyghosh aber wurde nur kurz
aufgehalten.
Noch ein Stuhlbein hielt John MacCarthy in der Hand, Wütend,
mit totenblassem Gesicht schleuderte er es gegen die Druidin.
Das Wurfgeschoß traf das Totengesicht. Aber auch das hielt
sie nicht auf. Kiuna Macgullyghosh setzte ihren Weg auf MacCarthy
fort.
MacCarthy fühlte sein Herz bis zum Hals schlagen.
Gehetzt blickte er sich um. Der Raum war klein. Wenn er in die
Ecke gedrängt war, gab es kein weiteres Zurückweichen
mehr.
Unter seinen Füßen lag Nyreen Matobish. Ihr
weißer Körper enthielt keinen Tropfen Blut mehr.
MacCarthy war eine Sekunde lang unaufmerksam.
Er stieß mit dem linken Fuß gegen den ausgestreckten
Arm der toten Nyreen Matobish, taumelte und griff nach Halt suchend
um sich.
Während er nach hinten fiel, sah er mit schreckgeweiteten
Augen, wie das Skelett langsam aber unaufhörlich wie eine
Maschine auf ihn zuschlurfte.
Er war verloren.
Im Fallen registrierte er, daß er sich wahrscheinlich die
Hand verletzen würde, wenn er jetzt gegen den Spiegel
stieß.
Die riesige, mattschimmernde Glasfläche nahm die ganze Wand
ein.
MacCarthy konnte seine Hand nicht mehr zurückreißen.
Aber sie knallte nicht auf das Glas, sie tauchte ein wie in einen
durchsichtigen Gelee.
Der Spiegel war kein Spiegel, er war ein Tor zu einer andern
Welt.
MacCarthy verschwand hinter der mattglänzenden Fläche,
die er passiert hatte wie Luft.
Sekundenlang war er benommen und blickte sich mit fiebrig
glänzenden Augen in der glosenden Finsternis um.
Er tastete die Rückseite des Spiegels ab, den er eben
passiert hatte. Aber da war eine Wand, kalt, rauh und hart. Ihm war,
als würde ihm ein Eiszapfen durch den Körper getrieben.
Es gab keine Rückkehr mehr.
*
Kiuna Macgullyghosh näherte sich dem Spiegel und blieb davor
stehen. Auf dem mattglänzenden Spiegel erschien kein Bild.
Selbst wenn dort eines erschienen wäre, hätte sie es nicht
wahrnehmen können.
Die Augenhöhlen ihres Schädels waren leer.
Und doch fand sie sich zurecht.
Mit traumwandlerischer Sicherheit passierte
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