Macabros 005: Die Schreckensgöttin
leicht.
Die scharfe Schneide durchschlug das Schulterblatt des Skeletts, und
die Knochen schepperten auf den Boden herab.
Hellmark schlug den Knochenmann kurz und klein, während das
Skelettpferd davonjagte. Aus den Augenwinkeln heraus beobachtete
Hellmark, wie die Schreckensgöttin in einem Durchlaß
verschwand. Hellmark registrierte mit Grauen, daß der Reiter,
der in seine einzelnen Knochen auseinandergefallen war, nicht
wirklich zu vernichten war. Die Knochen bewegten sich, formierten
sich wieder, und unsichtbare Hände schienen das Skelett von
neuem zusammenzusetzen. Der Knochenmann erhob sich wieder.
Hellmark ließ noch einmal das erbeutete Schwert durch die
Luft sausen. Die Schneide köpfte den Schädel, den die Wucht
des Schlages einige Meter weit davon schleuderte. Aber der Kopf
rollte zurück wie ein Ball, den man an einem unsichtbaren Faden
zog.
Das Gros der berittenen Reiter schob sich weiter heran.
Hellmark begann zu laufen. Er sprang über die Kadaver der
Vampirkatzen und Höllenhunde hinweg, die wie ein dicker Teppich
den Boden des unheiligen Tempels bedeckten.
Hellmark begriff, daß dieser massive Angriff seinen Tod,
aber auch sein Leben bedeutete.
Die Schreckensgöttin alias Betty Roughly kannte einen
Fluchtweg. Sie würde versuchen, das transdimensionale Tor zu
erreichen, das in die Wohnung der Bourchier Street Nr. 156
mündete.
Mit langen Sätzen hetzte Hellmark hinter der Fliehenden her,
die im Dämmer des langen Ganges untertauchte.
Ihre violette Haut schimmerte jetzt in einem sanften Orange. Er
sah die Umrisse des davon taumelnden Körpers in der zunehmenden
Finsternis des gewundenen Ganges, der immer enger wurde.
Die Tempelherrin war allein. Der Hund und der Echsenvogel waren
gefallen. Sie selbst war verletzt. Er vernahm ihr Stöhnen, ihren
schnellen Atem.
Hellmark war nur wenige Schritte hinter ihr.
Da sah er die Wand vor sich.
Die Tempelherrin des untergehenden Tempels warf sich dagegen.
Sie drehte ihm den Rücken zu.
Und Björn sah, daß genau zwischen den
Schulterblättern eines der breiten, grauen Schwerter
steckte.
*
Es krachte häßlich, als die Schreckensgöttin mit
dem tief in ihren Schultern steckendem Schwert gegen die seitliche
Wand stieß. Das Schwert zerbrach, und der Knauf fiel klirrend
zu Boden.
Die Schreckensgöttin verschwand in der Wand wie ein Geist,
der sich auflöste.
Nur eine halbe Sekunde später stand Hellmark vor der gleichen
Stelle, warf sich gegen die Wand.
Es blieb eine Wand. Hart und unüberwindlich. Er schlug mit
dem Schwert dagegen. Funken sprühten aus dem harten Gestein.
Hier gab es keinen Ausgang. Nicht für ihn. Die Rückkehr
war ihm nicht möglich.
*
Auf der anderen Seite der Wand, in der realen Welt der dritten
Dimension, kam die Schreckensgöttin an. Ihr Körper nahm
sofort die Gestalt der Betty Roughly an.
Aber Betty Roughly war zu Tode verletzt.
Ihr Gesicht war von der Vergänglichkeit gezeichnet.
Sie stand in ihrem durcheinandergewühlten Schlafzimmer vor
der Spiegelwand, konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Sie
taumelte. Mit letzter Kraft schlugen ihre geballten Fäuste gegen
den Spiegel, der das Tor zur anderen Dimension war.
Das Glas zersplitterte. Immer und immer wieder schlug sie dagegen,
auch noch, als sie halb bewußtlos zu Boden glitt. Große
Scherben lösten sich, und ihre wie rohes Fleisch zerschnittene
Faust öffnete sich endlich.
Der Spiegel war zerstört.
Die alte Wand des Hauses blieb bloß und nackt
zurück.
Betty konnte nie mehr zurück, ihre Freunde, aber auch ihre
Widersacher konnten das Tor nicht mehr passieren.
Sie griff im Sterben nach dem langen Vorhang und riß ihn mit
zu Boden.
Verkrümmt blieb ihre Leiche vor der leeren Wand liegen.
Im Tod schloß sich die häßliche Wunde auf dem
Rücken. Die Hälfte des Schwertes, das zwischen den
Schulterblättern steckte, löste sich in nichts auf. Die
Leiche begann sofort zu verwesen.
*
Big Ben schlug fünfmal, als Richard Patrick sich
entschloß, die Initiative zu ergreifen.
Etwas stimmte da nicht. Hellmark hätte sich längst
melden müssen.
Der amerikanische Verleger saß mit Edgar Laughton in einem
kleinen Lokal an der Straßenecke Stanley Street und konnte von
hier aus Big Ben sehen.
Björn Hellmark hätte sich längst melden sollen.
Diesen Treffpunkt hatten sie vereinbart.
Patrick zahlte, und fünf Minuten später war er mit
Laughton im Wagen unterwegs, Richtung Soho.
Er parkte direkt vor dem Haus in der Bourchier
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