Macabros 005: Die Schreckensgöttin
Street Nr. 156.
Während Laughton im Wagen blieb und Patrick ihm
einschärfte, die Sicherungsknöpfe von innen gedrückt
zu lassen, das es zu keiner unliebsamen Überraschung für
den Maler kommen konnte, lief der Amerikaner ins Haus.
An der Wohnungstür von Misses Betty Roughly angekommen,
klingelte er mehrmals. Nichts rührte sich hinter der
Tür.
Hatte Hellmark die Frau, die er hier zu finden gehofft hatte,
nicht angetroffen? Aber dann hätte der Deutsche auf jeden Fall
Bescheid gegeben.
Unruhe erfüllte Patrick. Er mußte daran denken,
daß an der ungeheuerlichen Geschichte Laughtons mehr war, als
man sich träumen ließ. Wenn Hellmark nun das gleiche
zugestoßen war, wie Laughton in dieser Wohnung vor
dreißig Jahren? Das war nicht auszudenken. Die Polizei
mußte her, sie mußte nachsehen. Sofort.
Er drehte sich um und wollte die Treppen hinablaufen, um das
nächste Revier telefonisch zu verständigen. Da hörte
er ein Geräusch. Jemand kam die Treppen herauf. Bis in den
letzten Stock. Eine junge Frau, elegant gekleidet, braunhäutig.
Eine Südamerikanerin.
Carminia Brado hatte sich nach ihrer Ankunft auf London Airport
Heathrow sofort mit einem Taxi hierherbringen lassen.
Patrick und Carminia musterten sich. Der Verleger hatte sofort
einen bestimmten Verdacht, als er die kupferbraune Schönheit
sah. Hellmark hatte ihm einiges aus seinem Leben erzählt, unter
anderem auch von seiner Begegnung mit der attraktiven Brasilianerin
aus Rio de Janeiro.
»Miss Brado?« fragte er zaghaft. Carminia sah ihn
erstaunt an.
»Woher kennen Sie mich?«
Patrick stellte sich vor. Und dann fragte er: »Aber wieso
sind Sie hier? Gerade in diesem Haus?«
»Ich habe einen Hinweis von einem Freund bekommen«,
sagte sie ausweichend. »Björn ist noch immer nicht im Hotel
gewesen. Die Wahrscheinlichkeit, daß er sich hier in diesem
Haus, in dieser Wohnung aufhält, ist sehr groß.«
»Aber es ist niemand zu Hause. Ich habe schon mehrfach
geklingelt«, entgegnete Richard Patrick.
»Dann holen Sie die Polizei. Es muß jemand da sein.
Vielleicht kann man uns nicht öffnen, und die Tür muß
mit Gewalt aufgebrochen werden.«
Richard Patrick war wie vor den Kopf geschlagen. Aber das war
genau seine Idee. Er sagte nichts, nickte nur und eilte die Treppen
hinunter.
Er blieb eine Viertelstunde weg.
In dieser Zeit stand Carminia Brado am Flurfenster und starrte in
den düsteren Hinterhof, wo ein paar Kinder spielten, wo ein
abgemagerter Hund an einem Knochen nagte und zwei Frauen in zwei
übereinander liegenden Fenstern standen und sich gegenseitig
beschimpften. Die untere schlug schließlich ihre Fenster zu,
und die obere lachte gehässig, begoß weiter ihre Blumen,
so daß reichlich Wasser auf die Fensterbank des unteren
Stockwerks tropfte.
Richard Patrick kam mit zwei Uniformierten und einem Handwerker
die Treppen hoch.
Die Bobbys klingelten an der Wohnungstür mit dem Schild
»Betty Roughly«. Aber auch sie hatten kein Glück.
Carminia Brado gab ihnen zu verstehen, daß sie
hundertprozentig davon unterrichtet sei, daß ihr Verlobter in
dieser Wohnung einen Besuch hatte machen wollen. Es müsse irgend
etwas geschehen sein.
Daraufhin öffnete der Handwerker das Schloß. Es war
eine Momentsache.
Hinter den Bobbys betrat zuerst Carminia Brado die muffige
Wohnung, die düster und ungelüftet war.
Die beiden Uniformierten standen an der Tür zum Wohnzimmer.
Einer murmelte: »Leichengeruch.«
Carminia konnte die Bemerkung verstehen, und ihr Herzschlag
stockte.
Die Bobbys durchquerten das Wohnzimmer und stießen die
Tür zum Schlafzimmer auf. Sie fanden die tote Betty Roughly. Sie
war schon stark in Verwesung übergegangen. Seit mehreren Tagen
schien niemand mehr in der Wohnung gewesen zu sein.
*
Die Dinge liefen automatisch ab.
Inspektor Henry Gloaster vom New Scotland Yard kam und brachte
einen Gerichtsarzt mit.
Während er die verweste Leiche untersuchte, sprach Gloaster
mit den Menschen, die ein Interesse daran gehabt hatten, Misses
Roughly zu sprechen.
Die Gespräche erbrachten nicht viel, denn sowohl Patrick als
auch Carminia Brado hielten sich zurück. Aber Gloaster hatte
sowieso schon seine eigene Meinung. Die Dinge sprachen für sich.
Betty Roughly war – das meinte auch der Arzt nach der ersten
flüchtigen Untersuchung – eines natürlichen Todes
gestorben. Es gab keine äußeren Einwirkungen. Die alternde
Frau hatte hier allein gelebt, niemand hatte sich um sie
gekümmert.
Das paßte auch zum Bild des
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