Macabros 005: Die Schreckensgöttin
heruntergefallen waren, sah man
die rauhe, rissige Wand, an der der Verputz und die Tapete
fehlte.
Auf dem Boden vor dem Spiegel aber lag eine verweste Leiche.
*
Carminia Brados und Rani Mahays Blicke trafen sich.
Die Szene in der Kristallkugel erlosch. Die farbigen Nebel
wallten, die Bilder verschwanden. Rani Mahay löste seine
Hände vom Fuß der Kristallkugel.
»Was hat das zu bedeuten, Mister Mahay?« fragte Carminia
Brado entgeistert.
»Ich weiß es nicht«, gab Mahay kleinlaut zu.
»Es war die gleiche Wohnung, die ich vorhin gesehen habe. Doch
ich habe ein Ereignis zu Gesicht bekommen, das offensichtlich nach
den Geschehnissen, die ich vorhin gesehen, erfolgen wird. Dieser
schnelle Wechsel – es kann nicht sein…« Rani Mahay war
verwirrt.
Carminia Brado hatte einen furchtbaren Verdacht. »Könnte
es sein – daß Sie vorhin etwas gesehen haben, das
vielleicht schon Vergangenheit ist? Oder was sich in dem Augenblick
abspielte, als Sie es in der Kugel wahrnehmen konnten?«
Mahay zog hörbar den Atem ein. »Das wäre eine
Möglichkeit – aber es stellt einen einmaligen Fall dar,
Miss Brado. Ich hatte erwartet, noch einmal die gleichen Bilder zu
empfangen. So ist es bisher immer gewesen – doch nun dieser
schnelle Wechsel – er läßt in der Tat keinen anderen
Schluß zu als den, den Sie gefolgert haben. Dann allerdings
müssen hier Kräfte wirksam geworden sein, mit denen ich
bisher noch nie zu tun hatte.«
»Das glaube ich Ihnen gern. Mister Mahay. Aber im Leben
Björn Hellmarks muß man mit allem rechnen. Ich hoffe nur,
daß es nicht so ist, wie wir jetzt vermuten. Dann käme
unsere Warnung zu spät.«
*
Grelle Farben und tiefe Dunkelheit wechselten hektisch miteinander
ab. Aufgerissene Mäuler scheußlicher Bestien bedrohten
ihn. Stinkender Atem fauchte ihn an. Und dann zogen wieder liebliche
Wölkchen daher, die blutrote Blitze zerrissen.
Björn Hellmark wußte nicht, wo er war und was mit ihm
geschah.
Ganze Rudel von Totenkopfhunden fielen ihn an. Es kam ihm der
Gedanke, von seiner Fähigkeit, sich zu verdoppeln, Gebrauch zu
machen, um die Tiere umstellen zu können.
Aber bevor er sich konzentrieren konnte, schlugen ungezählte
Katzenpfoten nach ihm. Er wich zurück und stürzte in einen
Spiegel, der in tausend spitze Scherben zerfiel, die Hellmark
durchbohrten.
Alle Bilder und Farben und Blitze umkreisten ihn wie ein rasendes
Karussell. Er streckte die Arme aus, um das makabre Ringelspiel zum
Stehen zu bringen.
Aber er fühlte sich zu schwach, stürzte, fiel ins
Uferlose und wurde plötzlich wieder hochgehoben.
Da gelang es ihm, die Augen einen Spalt weit zu öffnen.
Tiefe Schwärze umgab ihn.
Er registrierte jetzt mit absoluter Sicherheit, daß er
waagerecht lag. Aber schon fiel er wieder zurück in den Strom
seiner Gefühle. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis er sich
kräftig genug fühlte, erneut die Augen zu öffnen.
Er lag auf etwas Weichem, Nachgiebigem. Ein Bett?
Die farbigen Streifen vor seinen Augen formierten sich zu
Gestalten und Umrissen.
Er sah ein weites, in grau-grünes Licht getauchtes
Gewölbe über sich, eine Kugel, die endlos schien.
Darunter lag eine Halle mit Säulen und mannshohen Podesten,
auf denen es sich regte.
Er glaubte, in der Vorhalle zur Hölle angekommen zu sein.
Er schloß blitzschnell die Augen, öffnete sie wieder
– und der Eindruck blieb.
Höllische Wesen tummelten sich auf den Podesten, saßen
auf den runden Stufen, welche die Wände säumten.
Ein widerlicher Geruch stieg ihm in die Nase.
Er sah unzählige von den riesigen Hunden und Katzen mit
dolchartigen Vampirzähnen und Ungetüme, deren Aussehen eine
Mischung zwischen Riesenvogel und Raubtier war, für die es kein
irdisches Gegenstück gab.
Ein seltsames Vibrieren lag in der Luft. Glockenhell ertönte
die Stimme, die er deutlich verstand:
»Willkommen in, meinem Tempel auf der anderen Seite des
Diesseits, Björn Hellmark.«
Der Angesprochene drehte den Kopf in die Richtung der Stimme.
Rechts neben Björn befand sich ein Graben, in dem randvoll
eine grüne, geruchlose Flüssigkeit stand. Dahinter
führten drei schmale, marmorartige Stufen zu einem grauen Thron,
der aus versteinerten Menschenleibern bestand.
*
Hellmark richtete sich auf.
Er starrte zu dem Thron. Darauf saß ein Frau von
faszinierender Schönheit, wie eine Göttin.
»Wie eine Göttin!« hämmerte es in Björns
Bewußtsein. »Die Schreckensgöttin!« Dieses Bild
kannte er. Die
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