Macabros 011: Im Leichen-Labyrinth
Schicksal…«
Sie wollte noch etwas sagen. Aber Antonia fiel ihr ins Wort und
erkundigte sich nach den Verletzungen, wo und wie sie dazu gekommen
sei?
»Das ist eine lange Geschichte. Aber du mußt mich
endlich auch mal ausreden lassen.« Regina Tärser
erzählte diese Geschichte.
Antonia Harters Augen wurden immer größer.
»Das darf nicht wahr sein«, sagte sie mal, suchte in
ihrer Handtasche und holte eine frische Zigarettenschachtel hervor,
die sie aufriß. Sie bot Regina ein Stäbchen an, steckte
sich dann selbst eine zwischen die Lippen und flammte die Zigaretten
an.
»Wie heißt denn dieser großartige
Wohltäter?« fragte sie zwischen zwei Zügen.
»Ein phantastischer Mann«, geriet Regina wieder ins
Schwärmen. »Björn Hellmark!«
Antonia Harter hustete. Ihr fiel die Zigarette aus dem Mund und
die Augen fast aus dem Kopf. »Sag das noch mal!« sagte sie
heiser.
»Björn Hellmark. Jetzt habe ich’s noch mal gesagt.
Kennst du ihn etwa?«
Antonia atmete tief durch. »Und wann soll das gewesen sein
– gestern abend mit dem Überfall?« stellte sie eine
Gegenfrage, ohne auf die letzten Worte der Freundin einzugehen.
Regina gab genau die Zeit an. »Es war gegen elf.«
»Ich werd’ verrückt!« entfuhr es Antonia. Und
die Grimasse, die sie dabei schnitt, ließ das tatsächlich
befürchten. »Um elf Uhr hab’ ich mit Björn
Hellmark getanzt.«
»Dann hatte dein Kavalier zufällig den gleichen
Namen?«
»Es war genau der Mann, wie du ihn mir beschrieben hast! Ich
habe mich schon auf die Nacht gefreut. Als ich heute morgen aufwachte
– lag ich allein im Bett. Nach dem Zwischenfall heute nacht
muß Hellmark die Auseinandersetzung mit Tschierner mir
vorgezogen haben.« Sie erzählte, was sich in der Wohnung
ihres Onkels zugetragen hatte und griff dann noch weiter aus:
»Dein Hellmark kann also unmöglich mein Hellmark gewesen
sein! Komische Geschichte, das! Ich lach’ mich tot. Björn
Hellmark war seit halb neun im ’Bayrischen Hof. Er hat fast
keinen Tanz mit mir ausgelassen.«
»Da hat sich doch einer einen Witz erlaubt.«
Antonia holte eine grüne Brieftasche aus ihrer Handtasche und
entnahm ihr ein farbiges Foto. »Eine Polaroid-Aufnahme«,
erklärte sie. »Die wurde gegen halb zwölf in der
letzten Nacht gemacht. Da haben wir gerade eine Tanzpause eingelegt
und unsere Drinks genossen. Ich hab’ einen Bekannten gebeten,
eine Aufnahme von uns zu schießen. Das ist mein Björn
Hellmark!«
Regina nahm das Bild entgegen. Ihre Mundwinkel klappten herab. Das
war Hellmark, kein Zweifel!
»Ein komischer Traum«, meinte die junge Malerin mit
schwerer Zunge. »Eigentlich Zeit, daß wir beide aufwachen.
Kneif mich mal in den Arm, Antonia!«
Es tat weh, und Regina verzog das Gesicht.
»Zwei Hellmarks zur gleichen Zeit?« stellte die kleine
Serviererin aus dem Dorfwirtshaus von Kumberg die Frage. »Da ist
doch etwas faul. Entweder wir sind beide verrückt – oder
wir hatten das Glück, an ein Zwillingspaar zu geraten.«
»Und beide haben den gleichen Vornamen?« fragte Regina
zweifelnd.
»Das ist komisch, stimmt. Höchstens«, fiel ihr da
plötzlich etwas ein, »könnte es so sein, daß
einer sich für den anderen ausgab.«
»Das wäre eine Erklärung. Aber warum sollte
er?«
»Keine Ahnung, da bin ich überfragt. Aber unsere
Geschichten stecken schon voll mit Unwahrscheinlichkeiten, daß
es auf die eine auch nicht mehr ankommt, oder?«
Da hatte Antonia recht. Eine Erklärung gab es für das
alles nicht.
*
Otto Gerlich interessierte sich zuerst für Martha Koller. Er
hoffte, die alte Frau sprechen zu können. Doch diese Hoffnung
erfüllte sich nicht.
Martha Koller lag in tiefer Bewußtlosigkeit.
Der Arzt, der inzwischen aus einem Nachbardorf gekommen war, hatte
seine Bedenken. »Es sieht schlecht aus«, meinte er.
»Es grenzt an ein Wunder, daß sie überhaupt noch am
Leben ist, daß sie diesen Sturz und die Aufregung
überstanden hat.«
Er wartete auf den Krankentransport. Martha Koller war böse
zugerichtet, die Rippen gequetscht, eine angeknackst, der rechte
Oberschenkel gebrochen. Der Arzt verabreichte herz- und
kreislauffördernde Mittel. »Das Herz ist sehr
schwach«, konstatierte er. »Ich glaube kaum, daß sie
es übersteht.«
Gerlich ließ sich die Anschrift des Krankenhauses geben, in
das Martha Koller gebracht werden sollte. Er wollte dort noch mal
vorsprechen, wenn die alte Frau zu sich kam. Durch sie erhoffte er
sich Aufklärung darüber, was in der Nacht wirklich
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