Macabros 011: Im Leichen-Labyrinth
Und mit einem Mal
glaubte er zu verstehen, wie alles zusammenhing. Jetzt ergab das
Ganze auch einen Sinn.
Der oder die Täter hatten sich das fein säuberlich
ausgedacht. Sie brachten den alten Mann um, gruben ein Loch und
warfen ihn hinein, und um alles völlig verwirrend zu gestalten,
rissen sie auch noch andere Gräber auf und zerrten die
Särge nach oben. Es mußten mehrere Täter sein. Einer
allein konnte dies unmöglich getan haben.
Wie war dieser alte Mann, der den Papieren nach Ferdinand Graubert
hieß und aus Regensburg stammte, hierhergekommen?
Das Rätsel war schnell gelöst.
In einer Senke hinter der nördlichen Friedhofsmauer fanden
zwei Kumberger das Auto des Toten, dem man die Schlagader
geöffnet hatte, um ihn umzubringen.
Aber auch die Stichwunde oberhalb der Nasenwurzel entging den
recherchierenden Beamten nicht. Diese Verletzung mußte noch vor
dem öffnen der Schlagader erfolgt sein. Gerlich schickte einen
seiner Männer davon, der mit der Dienststelle in Grafenau
telefonieren sollte. Otto Gerlich hielt es für angebracht, den
Polizeiarzt zu Rate zu ziehen.
Das Fahrzeug Grauberts war absichtlich in die Senke gefahren
worden. Gerlich sah sich den alten, klapprigen Wagen an, konnte aber
nichts Besonderes an ihm feststellen.
Und der Kommissar erlebte noch eine dritte Überraschung. Die
war dazu geeignet, ihn aus der Fassung zu bringen.
In einer anderen Grube, wo normalerweise kein Grab gewesen war und
die man aushob, um festzustellen, weshalb sie eigentlich so tief war,
fand man einen Menschen, der nicht hierher auf den Kumberger
Dorffriedhof gehörte.
Die Kleider des unbekannten Mannes waren zerrissen und
blutbesudelt. Das Fleisch war ihm in großen Flächen vom
Leib gelöst. Es sah scheußlich aus, als hätten Ratten
ihn angefallen.
»Jetzt schlägt’s dreizehn«, sagte Gerlich nur,
als man ihn zurückholte und den grausigen Fund zeigte.
Ein zweiter Mord?
Alles sprach dafür.
Doch wer der Mann war, ließ sich nicht so schnell
feststellen. Er trug keine Papiere bei sich.
Am Ringfinger der linken Hand entdeckte man einen Goldring mit
Initialen.
»HL« ergaben die goldenen Buchstaben.
Hans Leibold! Björn wußte es sofort.
*
»Das Ganze hier ist doch das reinste Schauspiel für
Sie«, sagte Gerlich neben ihm.
Hellmark blickte flüchtig auf. »Wie meinen Sie das,
Kommissar?«
»Wenn Sie über Ihre Erlebnisse einen Bericht schreiben,
reißen Ihnen die Verleger die Story förmlich aus der Hand.
Das ist doch die Sensation des Jahres! Und dann noch eine Tatsache!
Und Sie waren zuerst an Ort und Stelle. Sieht ja fast so aus, als
hätten Sie etwas davon gewußt, Herr Hellmark.« Er
sagte es in einem Tonfall, der Björn hellhörig werden
ließ. »Was halten Sie denn von der Leiche hier?«
»Sieht böse aus.«
»Sie drücken sich gewählt aus. Ich habe mal einen
Film über Kannibalismus gesehen. Das trifft die Sache eher.
Finden Sie nicht auch?«
»Es waren die Leichen, Kommissar.« Hellmarks Stimme
klang ruhig und selbstbewußt.
»Ah, ich verstehe. Die haben diesen Mann angefallen und
angenagt?«
»Ja.«
Hellmark blickte sich in der Runde um. »Fragen Sie die Leute,
Kommissar. Mit diesem Friedhof hat es etwas Besonderes auf
sich.«
»Ein Friedhof ist ein Friedhof.«
»Hier wurde ein Mann namens Josef Burger begraben. Das liegt
ein Jahrhundert zurück. Als wir uns heute morgen sprachen, habe
ich Ihnen erzählt, daß ich ein seltsames Hobby habe. So
ist es nicht verwunderlich, daß ich auch die Sache mit Burger
weiß.«
»Sie werden sich wundern, aber ich weiß auch etwas von
Burger. Und zwar aus der Kriminalgeschichte. Danach soll er rund
achtzig Menschen in den Tod geführt haben. Auch das liegt ein
Jahrhundert zurück.«
»Eben um diesen Burger handelt es sich. Man nannte ihn auch
den Herrn der Toten. Burger ist zurückgekommen und mit ihm viele
andere. Denken Sie daran, was Martha Koller von sich gab, als sie
kurz zu sich kam! In ihr Haus waren Tote eingedrungen. Woher kommen
diese Toten? Von hier! Einer hat sie zurückgerufen.«
Hellmark ahnte, was passiert war, er glaubte auch zu wissen,
weshalb man Leibold so zugerichtet hatte. Etwas war schiefgegangen.
Leibold hatte mit aller Gewalt in der letzten Nacht zu einem Erfolg
kommen wollen. Jahre hatte er auf diesen Augenblick gewartet, nun
wollte er nicht länger warten. Er hatte das Blut des Alten
genommen und den Herrn der Toten in der Walpurgisnacht gerufen, der
Nacht vom 31. Mai auf den 1. Juni!
Aber Leibold hielt
Weitere Kostenlose Bücher