Macabros 012: Molochs Totenkarussell
sie einen Blick auf die Uhr und stellte fest,
daß Ted in zehn Minuten da sein würde.
Und Ted war pünktlich.
Nancy eilte vor den Spiegel. Ihre Gedanken waren in diesen Minuten
ganz bei dem Vergnügen, dem sie entgegenging. Sie hatte sich den
ganzen Tag über schon auf diese Party gefreut. Bei Jeany
versprachen die Partys immer besonders nett zu werden. Jeany war
Grafikerin. Ihr Dachatelier war mal ein Strandbad, mal ein
Partykeller. Jeany hatte tolle Einfälle.
In ihre Gedanken mischte sich plötzlich ein anderes, fremdes
Gefühl.
Sie war nicht mehr allein. Etwas beobachtete sie. Ganz deutlich
fühlte sie fremde Augen auf ihren Rücken gerichtet.
*
Angst überfiel sie.
Wie gebannt stand sie vor dem Spiegel und warf blitzartig den Kopf
herum.
»Ist da jemand?« Sie fragte ganz leise, zaghaft, als
fürchtete sie, vor ihrer eigenen Stimme zu erschrecken.
Was war mit einem Male los mit ihr? Angst? Sie hatte nie in ihrer
Wohnung Angst gehabt.
Die Atmosphäre wirkte verändert, unheimlich und
gespenstisch.
Sie ertappte sich dabei, daß sie von einem Raum in den
anderen ging und nachsah, ob sich wirklich niemand hinter dem
Schrank, einem Vorhang oder unter dem Bett versteckt hatte.
Das Gefühl, beobachtet zu werden, wollte nicht weichen.
Es war zum Verrücktwerden, ob so der Wahnsinn anfing?
Die Beklemmung wuchs.
Und dann geschah etwas Unerklärliches.
Aus der Dämmerung wuchs eine riesige Knochenhand, schwebte
eine halbe Sekunde lang über ihr und senkte sich herab.
Nancy Hunter sah diese gespenstische Erscheinung nicht einmal, so
schnell ging alles.
Die riesigen Finger rissen sie empor.
Die Lehrerin sah einen schimmernden, weißlichen Glanz um
sich herum, wie ein Nebel, der sich immer mehr verdichtete.
Noch sah sie die Wände, die Bilder an der Wand, die Uhr…
dann verwischte alles.
Nancy Hunter wurde einfach aus ihrer Wohnung
herausgelöst.
Das Kleid entfiel ihren Händen und Nancy war verschwunden,
als wäre sie zu Luft geworden.
*
Er klingelte erst einmal. Als sich niemand meldete, drückte
er zweimal ganz lange auf die Klingel.
Es war Punkt acht. Ted Summers war ein pünktlicher
Mensch.
Er wartete eine ganze Minute ab. Nancy öffnete nicht.
Er wurde stutzig.
Er ging um das Haus herum, sah, daß oben in Nancys Wohnung
die Lichter brannten. Also war sie zu Hause.
Hatte sie es nicht geschafft? Saß sie noch in der
Badewanne?
Nun, bei einem Mädchen mußte man mit allem rechnen. Ted
Summers war bereit, fünf Minuten zuzugeben.
Als auf sein abermaliges Klingeln immer noch niemand antwortete
und Nancy auch nicht an die Sprechanlage kam, um ihn wissen zu
lassen, daß er sich noch einen Moment gedulden sollte, wurde er
unruhig.
Er betätigte eine andere Klingel, um wenigstens ins Haus zu
kommen. Er entschuldigte sich bei der öffnenden Frau, nannte den
Grund und jagte die Treppenstufen empor.
Die Wohnungstür war versperrt. Aber durch die Türritze
sah er Licht.
Er lauschte. Es lief auch kein Badewasser. Auch kein Radio.
Totenstille. Da bekam er es mit der Angst zu tun.
Dies alles paßte so wenig zu Nancy.
Es mußte etwas passiert sein.
Bevor er jedoch die Menschheit rebellisch machte, wollte er selbst
Gewißheit haben, was los war.
Er trommelte mehrmals gegen die Tür. Als sich nichts tat,
öffnete er das Flurfenster und blickte an der Hauswand entlang.
Gleich rechts neben dem Flurfenster lag Nancys Wohnung. Schon von
unten hatte er gesehen, daß die Balkontür offenstand.
Er rief mehrmals.
Keine Antwort.
Kurz entschlossen kletterte er auf die Fensterbank. Es bereitete
ihm keine Schwierigkeiten, auf den Balkon Nancys zu steigen.
Die Tür führte direkt ins Schlafzimmer. Es roch nach dem
Parfüm, das er so gern an ihr mochte.
Die Schranktür stand offen.
Er ging in jeden Raum. Er warf auch einen Blick ins Bad.
Im Flur fand er das wie achtlos dahingeworfene Kleid.
Unbehagen beschlich ihn.
»Nancy!«
Der Ruf verhallte.
Ted ging an die Wohnungstür. Sie war von innen verschlossen
und selbst der Riegel war noch vorgelegt.
Das bedeutet, daß sie die Wohnung überhaupt nicht
verlassen hatte. Aber anwesend war sie auch nicht.
Die Situation wurde ihm unheimlich, als er sich die Dinge
aufmerksam durch den Kopf gehen ließ.
Etwas ging hier nicht mit rechten Dingen zu.
Er mußte die Polizei verständigen.
*
Er lag auf der Lauer.
Phil Hunter hatte sie seit zwei Tagen nicht aus den Augen
gelassen.
Er war vertraut mit der Überprüfung von Personen.
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