Macabros 013: Mandragora - Herrin der Angst
einmal,
daß dieser helle Punkt sie magisch anzieht, daß er eine
unwiderstehliche Macht auf sie ausübt, die sie sich nicht
erklären kann. Ich frage mich, schreibt sie hier wörtlich,
ob ich nicht einmal von dort gekommen bin, ob ich nicht dort einmal
in einem früheren Leben – existiert habe. Bin ich wirklich
nur Erika Paller – oder war ich früher einmal eine
andere?«
Ferdinand Paller warf einen unsicheren Blick über seine
Brillengläser hinweg und griff nach seinem Apfelweinglas. Er
nahm einen herzhaften Schluck.
»Verrückt«, murmelte er, »sie muß
zuletzt total verrückt gewesen sein. Aber – sie machte
nicht den Eindruck, das ist das Schlimme. Man konnte sich ganz normal
mit ihr unterhalten. Ich hatte nur manchmal kein gutes Gefühl.
Darum habe ich den Jungen angeschrieben und ihn gebeten, mal nach dem
Rechten zu sehen.« Ferdinand Paller erzählte von der
Abmachung zwischen Bernd Kessler und seiner Tochter. »Auch so
eine Schnapsidee! Drum prüfe, wer sich ewig bindet! Na
schön! Aber müssen es denn gleich zwei Jahre sein? Die
beiden mochten sich doch. Warum dieser Unsinn?« Er winkte ab.
»Die jungen Leute von heute, wer versteht sie noch… Kurz
und gut: Bernd kam. Zwei Jahre waren fast um. Erika wußte
nichts von meinem Unternehmen. Bernd sollte es so hinstellen, als
wäre er rein zufällig mal wieder in Frankfurt. Ich machte
mir ernsthaft Sorgen um Erika. Sie hatte den Kontakt mit allen
Freunden völlig abgebrochen. Sie lebte nur noch für ihre
Untersuchungen und Selbstversuche. Bernd sollte sie zurückholen
aus ihrer Verlorenheit. Ich habe nach der Verhaftung mit ihm sprechen
können. Er mußte zugeben, daß sie ihm fremd geworden
war, daß ihre Gedanken nicht mehr auf dieser Erde weilten.
Erika war weit weg, auf jenem anderen Stern, auf dem sie ganz sein
wollte. Sie hat es geschafft. Sie hat einen Ruf vernommen, den Sie
und ich wahrscheinlich nie im Leben hören werden…
Verrückt, es ist alles verrückt…! Ich weiß gar
nicht, wie ich dazu komme, Ihnen das alles zu erzählen. Sie sind
mir fremd. Sie haben mir versprochen, sich um Bernd zu kümmern
und Erikas Schicksal klären zu helfen. Ich weiß nicht
einmal genau, wer Sie sind, für welche Organisation Sie
arbeiten. Mit der Polizei jedenfalls haben Sie nichts zu tun, soviel
weiß ich. Wenn man über Erika spricht und ihre Notizen
liest, fragt man sich auch, ob die Polizei die richtige Stelle ist,
an die man sich wenden soll. Ob nicht vielleicht ein Psychiater
angebrachter wäre…«
»Verrückt«, nahm Björn die Worte Pallers auf.
»Ja, es ist alles verrückt. Auch das Geschehen heute abend.
War es wirklich? Was ist wirklich? Sie sitzen hier vor mir, gesund
und munter. Aber ich kam in Ihr Labor und entdeckte Sie tot am Boden.
Dann rief ich die Polizei an, das heißt: ich wollte es tun.
Etwas kam dazwischen. Ich wurde angegriffen. Von einer Pflanze, die
dämonische Züge annahm. Mandragora wurde aktiv. Ihre
Tochter hat etwas geweckt, daran gibt es nicht mehr den geringsten
Zweifel. Wir tappen im dunkeln. Die Polizei auf ihre Weise, wir auf
die unsre. Antwort auf alle Fragen könnte nur Ihre Tochter
geben. Ist sie wirklich tot? Hat sie das, worüber sie in diesem
Buch schreibt und was sie noch genauer auf Bändern geschildert
hat, nur phantasiert, wie ich das verwüstete Labor und Ihre
Leiche phantasiert habe und wie Bernd Kessler den Spuk im Treibhaus
– oder steckt da mehr dahinter?«
»Ich weiß nicht, was ich noch glauben soll und glauben
kann.« Paller war völlig verwirrt.
»Haben Sie die Schlüssel zum Wochenendhaus zur
Hand?«
»Nein, ich könnte sie holen. Aber das hätte auch
nicht viel Sinn. Die Polizei hat den Eingang versiegelt.«
»Wir müssen ins Haus. Wir müssen herausfinden, was
dort geschehen ist. Vielleicht können wir es rekonstruieren. Wir
brauchen genaue Angaben über Mandragora, von der Ihre Tochter
einiges gewußt haben muß. Es muß ihr gelungen sein,
schon mehr als einmal solche Astralreisen zu unternehmen.«
Pallers Augen wurden groß.
»Wer sind Sie?« fragte er rauh. »Was für ein
Mensch sind Sie?«
»Ich versuche, den Dingen jenseits der sichtbaren Welt auf
die Spur zu kommen. Ich erforsche sie, um es einmal so
auszudrücken. Das ist kein Beruf. Ich bin weder ein
Geisterjäger noch ein passionierter Okkultist. Aber wie der Fall
Ihrer Tochter beweist, gibt es Lücken und Spalten, durch die das
Überirdische in unsere reale Welt eindringt. Ich muß Ihnen
etwas sagen, Herr Paller, woran ich die
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