Macabros 016: Geisterheere aus dem Jenseits
verließ die »Seejungfrau II« und
ließ Sophokles und Pepe zurück. Die beiden hatten sich
schon angefreundet und kamen gut miteinander aus.
Hellmark wußte nicht, wie lange er abwesend sein würde.
Es kam ganz darauf an, wie das Gespräch mit der Schaustellerfrau
verlief.
Pepe fragte Sophokles später, ob er Lust hätte, an einem
Spaziergang am Strand teilzunehmen.
Sophokles lag auf dem Sonnendeck und reckte alle viere von
sich.
»Ich bin zu faul«, sagte er zu dem Mexikanerjungen.
»Komm, leg dich zu mir, laß dir die Sonne auf den Bauch
brennen!«
Pepe, mit abgeschnittenen, verfransten Jeans und einem
breitkrempigen Sombrero, schüttelte den Kopf. »Ich bin
schon braun genug. Ich lauf am Strand entlang.«
»Was hast du davon?«
»Ich suche Muscheln.«
»Und was machst du dann damit?«
»Weiß noch nicht. Vielleicht Ketten, oder
Leuchttürme oder einen Fisch.«
»Und was machst du dann damit?«
»Anbieten und verkaufen. Die Leute hier mögen so
etwas.«
»Und was machst du mit dem Geld?« Sophokoles lag einfach
da und hatte nicht mal die Augen geöffnet.
»Blöde Frage, Soph! Das verprasse ich. Heute mittag
geht’s wieder los. Da fahren die Karussells, die Geisterbahn und
das Riesenrad wieder.«
Der junge griechische Seemann stöhnte. »Ich bekäme
’nen Drehwurm. Daß du das aushalten kannst!«
Das aber hörte Pepe schon nicht mehr. Über die sauberen
Kaianlagen lief er davon und verschwand hinter den Masten und
Aufbauten und bunten Segeln der vielen hundert Boote, die hier
festgemacht lagen.
*
Der Knabe schlenderte am Strand entlang. Muscheln gab es mehr als
genug. Seinen Sombrero benutzte Pepe als Sammelbehälter.
Der Junge hielt sich anfangs am schmalen Strand auf, hinter dem
die großen, architektonisch aus der Rolle fallenden
Appartementhäuser La Grande Mottes begannen.
Bald aber entfernte er sich von der Stadt und suchte weiter
außerhalb, wo der Strand nicht so gepflegt war und sehr
dünenreich.
Er sammelte und merkte nicht, wie weit er ging.
Dann fielen ihm die Fußstapfen auf, in denen teilweise das
Wasser stand.
Er achtete nicht darauf und stieß fast mit dem Fuß
gegen den reglosen Leib, ehe er merkte, daß das ein Mensch
war.
Die tote Frau! Die Frau, die sie gestern abend hinter dem Zelt mit
der Rotweinflasche gesehen hatten und über die jedermann
lachte…
Pepe fuhr zusammen und wurde schreckensbleich.
Er mußte sofort Björn Bescheid sagen. Der große
Freund war auf dem Weg zu dieser Frau, die erstochen worden war wie
der Mann in der dunklen Ecke hinter dem Zelt.
Ein Schatten fiel vor die Sonne.
Pepe fuhr zusammen.
Er warf den Kopf herum. Was er sah, erfüllte ihn mit
Entsetzen.
Es war Pepes erste Begegnung mit dem Grauen einer anderen
Welt.
Eine Knochenhand griff nach ihm, ehe er sich zurückwerfen
konnte.
Pepe verlor den Boden unter den Füßen.
Der Junge gab einen schrillen Schrei von sich. Zu einem weiteren
Hilferuf kam er nicht.
Hart und fest legte sich die Hand auf seinen Mund und erstickte
jeglichen Laut.
Er wurde auf das skelettierte Pferd gerissen, und im harten Galopp
preschte der Geisterreiter davon.
Die Hufe des gespenstischen, massigen Tieres berührten weder
den Boden noch das Meer. Wie in einem Märchen aus 1001 Nacht
ging es durch die Luft. Graue Wolkenfetzen hüllten sie ein.
Pepe hing quer über dem Knochenpferd. Er strampelte mit den
Beinen und schlug um sich. Aber weder Reittier noch Reiter
reagierten.
Pepe sah keinen Strand mehr und kein Meer.
Seit seiner Entführung waren noch keine zehn Sekunden
vergangen.
Öde Umgebung breitete sich vor den Beinen des Skelettpferdes
aus.
Die Luft war trüb und grau. Dunst hing über dem
Land.
Schemenhaft erkannte Pepe noch mehr Reiter.
Ein ganzes Heer wartete hinter dem Nebelvorhang. Die Pferde
stampften unruhig, und der Boden zitterte.
Seltsame, unheimliche Geräusche erfüllten die Luft, als
schlügen hohle Menschenknochen gegeneinander.
Eine grauenhafte Atmosphäre und Beklemmung… Pepe wagte
kaum zu atmen.
Hatte er das Tor zu einem jenseitigen Reich passiert? Die
Dimensionen stimmten nicht mehr.
Björn hatte ihm von den Mächten erzählt, die es gab
und vor denen man sich hüten mußte. Er hatte seinem
kleinen Freund auch eingeschärft, sich nicht zu ängstigen,
wenn mal etwas passieren sollte, was jeglicher Logik widersprach. Er
hatte ihn aber auch davor gewarnt, sich unnötig in Gefahr zu
begeben.
Sie passierten einen dunklen Höhleneingang, eine Zelle, die
Tür war aus
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