Macabros 016: Geisterheere aus dem Jenseits
Loreauns Erklärungen
Wort für Wort im Kopf hatte. »Der Tod war eingeplant, aber
etwas ging schief. Es geht niemand mit einem riesigen Messer oder
einem Schwert, wie Loreaun es bezeichnete, in ein Haus, um einen
Einbruch zu verüben. Vater hatte eine kleine Waffensammlung.
Degen, seltene Dolche und Schwerter, die als Schmuckstücke an
der Wand hängen. Aber keines davon wurde als Tatwaffe benutzt.
Der Täter hat von Anfang an einen Mord eingeplant und ihn auch
durchgeführt.«
Tosette konnte sich dieser Logik nicht verschließen.
»Nach den ersten Untersuchungen fehlt nichts. Aber das
läßt sich erst genau sagen, wenn es eine Möglichkeit
gibt, Genevieve zu vernehmen«, meinte der Gelehrte. »Und ob
es dazu kommt, das steht noch in den Sternen. Vielleicht wacht sie
gar nicht mehr auf.«
Das wäre vielleicht das beste für uns alle, dachte
Alain, aber er sprach es nicht aus.
Pascal hatte nichts damit zu tun. Es war ihnen Arbeit abgenommen
worden, wenn man es genau betrachtete. Die Dinge konnten eigentlich
nicht besser laufen. Von ihrem Plan, Genevieve eventuell für
verrückt erklären zu lassen, wußte kein
Außenstehender.
Das erübrigte sich nun.
»Ich muß immer daran denken, daß der unbekannte
Eindringling sich nur Bertrands Zimmer vornahm«, fuhr Tosette
fort. »Im ganzen Haus blieb alles unangerührt.«
»Er hat das Amulett gesucht«, tönte es von hinten
her. Nicole sprach mit tonloser Stimme.
Alain Munuel drehte sich um. »Dieser komische flache Stein,
den Pascal mir gezeigt hat?« Er mußte wieder an den
tranceähnlichen Zustand denken, den er durchmachte, als er
darauf starrte, und das Geräusch der hohlklingenden Knochen
tönte wieder in seinen Ohren.
»Ja. Ich habe ihn meinem Professor gezeigt. Das Amulett ist
uralt. Perpignan datiert ihn fünfzigtausend Jahre zurück.
Mindestens.«
»Dann würde es einen immensen Wert darstellen?«
murmelte ihr Bruder.
»Wie man’s nimmt. Der Materialwert ist nicht hoch, aber
die Kraft, die darin schlummert und die durch bestimmte Praktiken,
die man erlernen kann, geweckt wird, ist viele tausendmal mehr wert.
Das, was wir als Amulett bezeichnen, ist Teil einer
Geisteruhr.«
»Geisteruhr?« echote Alain Munuel. »Was ist das?
Ich habe das Wort nie gehört.«
»Perpignan, der das Amulett weiter untersucht, hat es
geprägt. Zu allen Zeiten war es möglich, mit finsteren
Mächten Verbindung aufzunehmen. Das wurde in ferner Zeit
gehandhabt, und es wird noch heute praktiziert. Verschworene Sekten
treffen sich und beten den Satan an. Oft aber ist es besser, sich die
Hilfsgeister Untertan zu machen und über sie dann mehr zu
erreichen. Vater befaßte sich mit Okkultismus, daran gibt es
für uns keinen Zweifel. Er hat seine Seele
verkauft…«
Wie sich das anhörte! Alain Munuel schüttelte den Kopf,
Sie waren Menschen des zwanzigsten Jahrhunderts und redeten, als
kämen sie gerade aus dem Mittelalter.
»Perpignan muß es wissen«, fuhr Nicole Tosette
fort. »Er hat wie kein Zweiter die okkulten Phänomene der
Vergangenheit studiert. Heute will er die Bibliothek nach einem
bestimmten Buch durchforsten, in dem er Hinweise über die
Geisteruhr erhofft, von der ein Teil im Besitz unseres Vaters gewesen
ist. Ich…« Sie wollte etwas hinzufügen, aber ein Blick
Pascals in den Rückspiegel ließ sie verstummen. Alain
Munuel entging diese Geste nicht.
»Was ist los?« fragte er rauh, sie beide irritiert
ansehend. »Ihr verschweigt mir doch etwas! Was für ein
Geheimnis habt ihr vor mir?«
»Wir haben vor dir keine Geheimnisse«, antwortete Pascal
Tosette anstelle seiner Frau.
»Ich hab’ doch gesehen, daß du ihr einen Blick
zugeworfen hast! Daraufhin hat sie es vorgezogen, den Mund zu halten.
Ihr wißt doch etwas!« Er lief rot an. »Was ist los?
Habt ihr möglicherweise doch…«
»Unsinn«, fiel Pascal ihm ins Wort.
»Ich trau dir nicht mehr«, stieß Alain Munuel
hervor. »Du warst mir nie ganz geheuer. Du bist mir zu still!
Solche Menschen haben meist etwas zu verbergen. Alle Welt sieht in
dir eine Art zerstreuter Professor, aber mir kannst du nichts
vormachen. Hinter deiner glatten Stirn hegst du Gedanken, die andere
Menschen erschrecken würden, sprächst du sie laut aus. Du
bist gefährlich. Pascal, und du hast dabei ein Plus: man sieht
dir deine Gefährlichkeit nicht an! Du warst mir nie ganz
geheuer, aber jetzt zeigst du dein wahres Gesicht. Ich möchte
bloß wissen, was Nicole so an dich bindet. Aber das geht mich
nichts an. Wahrscheinlich hast du
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