Macabros 028: In der Falle des Schattenfürsten
ersten Boten, die von dort kommen.«
»Vielleicht. Machen wir uns auf den Weg, um genaueres zu
erfahren, Varok.«
Er stieg gewandt auf das Pferd, nahm Platz hinter Varok.
Yümaho, der Wunderhengst, fiel in leichten Trab, als Varok
auf ihn einen kaum merklichen Schenkeldruck ausübte. Das Gewicht
der beiden Männer trug er ohne Anstrengung über den
schwierigen Boden hinweg.
*
Wie immer stand sie schon früh auf, machte Toilette und rief
ihren Vater im Büro an, um ihm mitzuteilen, daß sie heute
wahrscheinlich nicht vorbeikäme.
Das gefiel ihm gar nicht.
»Seit fünf Tagen bist du scheinbar ständig auf
Achse, liebes Kind«, sagte John D. Moreen. »Wenn du auf
diese Weise die Geschäfte leitest, sehe ich schwarz für die
Zukunft der Moreen-Werbung. Bei mir war es immer so, daß ich
immer erst gearbeitet habe – und danach Urlaub machte. Bei dir
ist das genau umgekehrt.«
Sie lachte. »Das ist nur im Moment so. Außerdem ist der
Schein gegen mich, Dad. Ich hab was Wichtiges zu erledigen.«
»Etwas Wichtigeres als das Geschäft gibt es
nicht.«
»Das ist deine Einstellung. Die Quittung dafür hast du
erhalten, Dad«, spielte sie auf seine schweren Herzanfälle
an.
»Wenn du weiterhin so großspurig daherredest,
überlege ich mir es doch noch mal mit der Nachfolge«,
brummte John D. Die Anspielung auf seinen Gesundheitszustand
hätte manch andern Vater aus dem Stuhl gehoben. Aber John D.
Moreen behauptete von sich, anders zu reagieren als die anderen.
Damit hatte er zweifelsohne recht. Die Tatsache, daß seine Zeit
auf dieser Welt gezählt war, erfüllte ihn nicht mit
Traurigkeit und Niedergeschlagenheit. Im Gegenteil. Sie spornte ihn
an, noch das zu erledigen, was noch erledigt werden mußte.
Seine Devise war: Wer nicht geboren wurde, kann auch nicht
sterben. Der Tod gehört raun mal zum Leben. Und damit basta.
Dieses Basta war endgültig. Wie der Tod. Er duldete keinen
Widerspruch.
»Vielleicht kannst du mir aber wenigstens sagen, wann ich
dich mal wieder hier zu sehen kriege?«
»Noch nicht mit Bestimmtheit, Dad. Kommt drauf an, was der
Arzt sagt.«
John D. Moreen wechselte sofort seine Stimmlage. »Fühlst
du dich nicht wohl, Baby? Ist etwas mit dir? Etwas Ernstes?«
»Nein, Dad. Da brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Ich
fühle mich seit Tagen etwas abgespannt.«
John D. Moreen schnaufte in das Telefon, daß Cynthia das
Gefühl hatte, er wollte ihr das Ohr wegpusten. »Es war
zuviel für dich. Die Aufregung, die Arbeit. Die ständigen
Verhandlungen und Einweisungen. Ich hätte es mir denken
können.«
»Es ist halb so schlimm, Dad. Ich brauche nur ein paar Tage
Ruhe. Ich kann schlecht schlafen, habe schlechte Träume,
schrecke mitten in der Nacht des öfteren auf.«
»Geh zum Arzt! Auf der Stelle! Und dann trittst du einen
Urlaub an, verstanden?«
»Aber vorhin sagtest du noch…«
»Was ich vorhin sagte, Baby, ist vorbei. Was ich jetzt sage,
ist maßgebend. Ich will dich in den nächsten drei Wochen
hier in keinem der staubigen Büros sehen, kapiert? Aber wenn du
deine Reiseroute festgelegt hast, dann hoffe ich doch, wenigstens
eine Ansichtskarte von dir zu erhalten.«
»Ich werde es mir überlegen, Dad.
Tschüß.«
»Und halte mich auf dem laufenden. Ich will wissen, was der
Arzt meint«, brüllte John D. Moreen noch ins Telefon. Das
und das Nachfolgende aber hörte Cynthia Moreen schon nicht mehr.
Sie hatte aufgelegt. »Ich hoffe, daß es wirklich nur
Abgespanntheit ist, Baby«, knurrte der Werbe-Millionär.
»Und daß kein Mann dahintersteckt… aber du wirst ja
vernünftigerweise die Pille nehmen. Sonst könnten wir die
Firmenaufschrift gleich ändern in Werbe- und Marketing-Service,
John. D. Moreen Enkel – wäre mal was anderes. Verdammt noch
mal.«
*
Cynthia Moreen wählte unmittelbar nach dem Gespräch mit
ihrem Vater die Nummer ihrer Schwester.
Rita wohnte in der gleichen Stadt, allerdings zur Miete. Sie kam
mit dem monatlichen Zuschuß, den ihr Vater
regelmäßig auf ihr Konto überweisen ließ, nicht
aus. Eine kleine Wohnung, viele Freunde, die bewirtet werden wollten,
ein Auto, mit dem sie ständig unterwegs war, das alles kostete
Geld.
Rita hätte das Leben einer Fürstin führen
können. Sie sah gut aus, die Männer lagen ihr zu
Füßen. Sie war mit dem Leben zufrieden, wie sie es
führte.
John D. Moreen machte grundsätzlich nur ein einziges Mal
einen Versuch, jemanden zu überzeugen. Wenn der andere nicht
wollte – und selbst wenn es die eigene
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