Macabros 032: Kreatur der Verdammnis
hätte noch nie eines Menschen
Fuß diesen Boden hier berührt.
Auch Arson war noch nie hier gewesen, und doch zögerte er
keinen Augenblick. Er wußte genau, in welche Richtung er zu
gehen hatte. Der Weg zu den Höhlen der tausend Spiegel war
unauslöschlich in seinem Bewußtsein festgehalten.
Mit verminderter Schnelligkeit ging es weiter. Niemand klagte. Bis
jetzt war alles gutgegangen, und wenn man davon ausging, daß
sie immerhin noch einen, weiteren Tag zur Verfügung hatten,
mußten sie zufrieden sein.
Aber seltsamerweise wollten sie alle noch am Ende dieses Tages das
Ziel erreichen, als käme es darauf an. So schnell wie nur irgend
möglich dorthin zu gelangen.
Es war, als ob sie alle das gleiche fühlten: Die Zeit
drängte! Die Ruhe, Stille täuschte. Es war die Ruhe –
vor dem letzten, dem entsetzlichsten aller Stürme!
*
Um die Mittagszeit wurde die Luft heiß. Und das hier, mitten
in den Bergen!
Arson und Björn werteten dies übereinstimmend als ein
bedenkliches und unheimliches Zeichen.
»Du bist die ganze Zeit schon so ernst«, sprach der
Deutsche den Mann mit der Silberhaut mal unvermittelt an. »Es
ist nicht die Sorge, die uns alle bedrückt. Du hast etwas. Was
ist es, Arson?«
»Es ist die Sorge um uns alle, mehr nicht«, erwiderte
der Freund mit dumpfer Stimme.
Aber Björn glaubte ihm nicht.
In der größten Hitze gönnten sie sich wiederum nur
eine knappe halbe Stunde Ruhe. Dann ging es weiter.
Wie eine Säule ragte mitten zwischen den abgerundeten
Hügeln ein Bergmassiv zum Himmel empor, das mit dem Firmament zu
verschmelzen schien.
Die Hitze wich auch nicht, als der Nachmittag sich seinem Ende
zuneigte, im Gegenteil: es wurde heißer, als ob der Erdboden
unter ihren Füßen sich aufheizte.
Die Natur, auf Xantilon war durcheinander. Die Elemente wurden von
den Mächten der Finsternis kontrolliert und nach Bedarf
gesteuert.
Je tiefer sie in das seltsame, sanft geformte Gebirge eindrangen,
desto ungemütlicher wurde es, desto unsicherer fühlten sie
sich.
Die Sonne stand jetzt genau hinter der titanenhaften
Felsensäule und der gewaltige Schatten fiel wie ein schwarzer
Mast quer über die Hügel und spaltete das Gebirge in eine
helle und eine dunkle Hälfte.
Der kleine Treck wagte sich vor ins Dunkel, obwohl ihnen allen
davor graute, und jeder hatte plötzlich das Gefühl, als
lauere hier eine Gefahr, die sie alle verschlingen würde.
Aber lauerte diese Gefahr nicht überall?
Sie hatten nur diese eine Chance, wenn sie taten, was Arson von
ihnen verlangte, sie konnten nicht wählerisch sein.
Die Felsensäule wirkte näher, als sie in Wirklichkeit
war.
Es vergingen annähernd noch mal drei Stunden, ehe sie den
Bergriesen direkt vor sich, hatten und er sich nur noch eine
Steinwurfweite von ihnen entfernt befand.
Es war jetzt stockfinster. Die Sonne war längst
untergegangen, und obwohl der Himmel wolkenlos war, leuchtete kein
Stern und kein Mond.
Das erfüllte die Menschen mit Unbehagen.
»Die Stunde ist näher, als wir denken. Der Untergang
liegt in der Luft«, murmelte Amina einmal. Sie erschauerte und
war bleich.
Arson wollte die kleine Gruppe dem gähnenden Eingang
zuführen, der hinter der nächsten Bodenwelle lag, als sie
alle Zeugen eines seltsamen Vorfalls wurden.
In der Dunkelheit vor dem himmelragenden Felsmassiv bewegte sich
plötzlich etwas. Helle, durchscheinende Gestalten tauchten dort
auf, als würden sie wie Geister aus dem Boden aufsteigen!
*
Die Menschen hielten den Atem an.
Die Gestalten waren schmal, hatten menschliche Umrisse und
leuchteten wie phosphoreszierend in der Dunkelheit. Das gespenstische
Spiel ging völlig lautlos über die Bühne.
Was Arson und seine Begleiter dort sahen, erinnerte sie an die
Geister Verstorbener, die ihre unbrauchbare körperliche
Hülle verließen.
Die hellstrahlenden Wesen glitten in das Dunkel der Höhle,
wurden von der Schwärze dort aufgenommen und tauchten nicht
wieder auf.
»Was hat das zu bedeuten?« fragte Amina leise.
Arson zuckte die Achseln. Er dachte nach über die Bilder, die
er in seinem prophetischen Traum gesehen hatte. Nichts war dabei
gewesen, das dem, was sie jetzt beobachtet hatten, glich.
»Ich vermute, daß es sich um Geistleiber handelt«,
schaltete Hellmark sich ein. »Wir alle wissen, daß jeder
Organismus aus Fleisch und Blut und aus Geist besteht. Einzelne
Individuen haben ihre geistige Kapazität so hoch entwickelt,
daß man den Sterbevorgang mit wachen Augen beobachten
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