Macabros 032: Kreatur der Verdammnis
Schluchten entstanden. Brüllend schoben sich ganze Berge
zur Seite und versanken tosend in neuentstandene Schlünde.
Andere Berge formten sich aus gallertartiger Masse, die blubberte und
Geräusche von sich gab, an der riesige Blasen entstanden, als
würden sich hier bizarre Lungenflügel ausdehnen und wieder
zusammenziehen.
Alles – die Erde, die Luft und der flackernde Himmel –
war von unvorstellbarem, alptraumhaftem Leben erfüllt.
Das Gewürm kam wie eine Flutwelle auf sie zugeschossen, als
wolle es alles überschwemmen.
Nur zweihundert Meter hinter den zum Höhleneingang
Flüchtenden brach die Erde in die Tiefe, kullerte dröhnend
und krachend ein ganzer Berg nach, und ein Abgrund entstand, in den
sich die Flut der unfaßbaren Höllenbrut ergoß und
der so tief war, daß man ihn mit Blicken nicht ausloten
konnte.
Geisterhaftes Glosen brach aus der Tiefe, und die Scharten und
Spalten wurden sichtbar. Die Menschen auf dem vorspringenden, noch
erhaltenen Stück Erde wirkten wie winzige Geschöpfe vor der
Unendlichkeit, die sich nur mit der des Kosmos messen konnte.
Menschen, die so groß wirkten wie Ameisen unter den
wachsenden Felsen, den Bergen von Gewürm, den Abgründen,
die sich auftaten. Es schien, als wäre Xantilon keine Insel
mehr, die inmitten eines riesigen Ozeans schwamm, sondern ein
Planetoid, der von urwelthaften Kräften in eine schwarze,
brüllende Finsternis gerissen wurde. Die abbrechenden Inselteile
schienen im Nichts zu verschwinden und nicht im Meer.
Wie sich die Katastrophe weiter entwickelte, konnte er nicht
verfolgen. Das Dunkel der Höhle nahm ihn auf. Unter der Erde
rumorte es leise. Es war das einzige, was man hier drin von der sich
anbahnenden oder bereits im vollen Gang befindlichen Katastrophe
merkte. Die Höhle stand wie ein wahrer Fels inmitten einer
untergehenden Landschaft, wie ein Fanal der Hoffnung. Aber auch sie
würde untergehen.
Flirrende Lichter. Es waren jene geheimnisvollen Lichter, von
denen Arson gesprochen hatte.
Die Höhle war groß wie eine Halle, war ein Labyrinth
der Spiegel.
Hellmark schluckte, als er am ersten Spiegel vorüberkam, als
er Form und Rahmen erblickte. Diese Spiegel hier glichen jenem, den
er aus dem Haus der irischen Hexe Kiuna Macgullyghosh mitgebracht
hatte, wie aufs Haar. Das alles hier waren Hexenspiegel. War einst
auch Kiuna Macgullyghosh hier gewesen, hatte sie von hier einen
solchen Spiegel bekommen?
Die Spiegel bildeten das Tor zu jenseitigen und parallelen Welten
zu anderen Räumen und Zeiten und Dimensionen.
Tausend Gänge und Durchlässe schienen sich aufzutun, und
käme jemand unvorbereitet und unwissend hierher, er würde
nicht gewußt haben, welcher Spiegel für seine Zwecke
geeignet sei. Wie gut, daß Arson in seinem prophetischen Traum
alles erkundet hatte. Was niemand erhofft, aber alle instinktiv
befürchtet hatten, war eingetreten: der Kampf um die Sekunden
begann.
Wie schemenhafte Gestalten wirkten die Körper der Freunde in
der flimmernden Dämmerung. Im Innern dieses Berges herrschte
noch völlige Ruhe. Man hörte lediglich die Schritte der
Menschen, die durch das Labyrinth der Spiegel eilten.
Bei jedem Spiegel, an dem Björn mit der jungen Mexikanerin
vorüberkam, leuchtete für einen Moment ein Bild auf, konnte
er für Bruchteile von Sekunden eine andere Welt sehen.
Faszinierende und grauenhafte Welten, die einem angst und bange
machten, wenn man nur die Farbe des Himmels oder die Form der
Häuser oder Landschaften sah.
Doch die Vorüberrennenden hatten keine Gelegenheit die
Einflüsse, welche die rätselhafter. Dimensionsspiegel bei
Annäherung auslösten, näher zu betrachten. Die Zeit
drängte. Und nur Arson wußte, welcher Spiegel für sie
in Frage kam.
Sie erreichten eine Stelle, wo die Spiegel kreisförmig
angeordnet waren.
Björn bekam mit, wie Rani Mahay dem Mann mit der Silberhaut
den Jungen übergab. Arson drückte seiner Frau den Knaben
auf den Arm, deutete auf den mittleren Spiegel, vor dem sie standen,
und gab ihnen durch eine Geste zu verstehen, so schnell wie
möglich darin zu verschwinden.
Amina begann zu laufen.
Arson zeigte auf den Spiegel, der für Björn und seine
Begleiter in Frage kam, und Pepe setzte sich sofort in Bewegung. Er
gab einen Ruf der Verwunderung von sich als er nur noch zwei Schritte
von dem Spiegel entfernt stand.
»Marlos! Björn! Ich werd verrückt! Das ist ja
– Marlos!«
Der kleine Bursche mit dem schwarzen Lockenkopf warf die Arme in
die Höhe und vollführte
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