Macabros 033: Flucht in den Geistersumpf
Geister und
Dämonen sind Schmarotzer, sie saugen fremdes Leben aus und
ernten die Früchte redlicher Arbeit. Sie können also nicht
immer hier gewesen sein. Dieses Pandämonium – was war es
davor mal gewesen? Vielleicht vor Äonen von Zeiträumen? Die
Welt eines Gottes oder einer Göttin, die dem Ansturm aus dem
Geisterreich nicht gewachsen war?«
Sie tauschten ihre Erfahrungen aus und kamen überein, auf
alle Fälle zusammenzubleiben und das beste aus der Situation zu
machen. Die sah plötzlich besser aus, nachdem sie glaubten,
einige Zusammenhänge erkannt zu haben. Wenn dieser Fleck Erde
von den Füßen eines Gottes berührt worden war, hatten
die Dämonen nur wenig oder keine Macht, und es war
verständlich, weshalb sie nicht hier aufgetaucht waren.
Nun lag es an ihnen ihre Gedanken unter Kontrolle zu halten um
nicht eine Gefahr heraufzubeschwören, die sie selbst
verursachten.
Unstett ging gefestigt aus dem Abenteuer hervor.
Vor allen Dingen mußten sie ergründen, was hier vorging
und was sie tun konnten, um aus dieser Geisterwelt herauszukommen.
Herumsitzen war zwecklos. Es mußte irgendwie weitergehen.
Gemeinsam machten sie sich auf den Weg. Wie lange sie dabei auf den
Beinen waren, konnten sie nur schätzen, denn hier auf der
anderen Seite der Spiegel standen die Uhren still.
Auch ob es Tag oder Nacht war, konnten sie nicht ergründen.
Die Dämmerung war immer die gleiche, und eine Sonne gab es hier
nicht.
Sie hielten sich immer am Rand des Moors, denn hier – so
glaubten sie zumindest – hatten sie die größte
Sicherheit.
Niemand vermochte zu sagen, wie lange sie unterwegs gewesen waren
– ob acht, zehn oder zwölf Stunden, ob einen Tag und eine
Nacht – als sie in der Ferne hinter wogenden Nebelschleiern die
Umrisse einer burgähnlichen Ruine erblickten.
»Was ist das?« entfuhr es Lorette Massieu.
»Kann es sein, daß dort jemand wohnt, der menschlich
ist wie wir?« stellte Carminia sich die Frage.
»Wir werden es wissen, wenn wir dort sind«, sagte Carel
Unstett.
*
Die Nebel stiegen auf und hüllten die dunklen, massigen
Mauern ein.
Die drei Menschen beschleunigten ihre Schritte. Hoffnung
erfüllte sie. Dieses Bauwerk war ein einmaliges Ereignis in
diesem Reich. Eine Insel der Hoffnung?
Die drei einsamen Wanderer wurden von Durst und Hunger geplagt.
Hier aber gab es nichts zu essen, keine Früchte, keine Pflanzen,
die man hätte pflücken können. Und außer dem
schmutzigen Wasser in den Mulden am Moorrand fanden sie keine frische
Quelle, an der sie ihren Durst löschen konnten.
»Vielleicht ist alles wieder… nur ein Trugbild?«
ließ Lorette Massieu sich vernehmen. »Ein Abbild unserer
Wünsche? Wir wissen: so wie es jetzt ist, kann es nicht
weitergehen. Wir sind verloren. Der Hunger wühlt in unseren
Eingeweiden, unsere Kehlen sind ausgedörrt. Wir sind Wanderer in
einer fremden Welt, die schlimmer ist als die Wüste. Bis zum
Zusammenbruch ist es nicht mehr weit. Wir sehnen uns nach
Geborgenheit, nach Hilfe, und wir erwarten, sie dort zu
finden.«
Carminia zuckte schwach die Achseln. »Ich weiß es
nicht. Vielleicht ist es so, hoffen wir jedoch, daß es sich
anders verhält.«
Unwillkürlich taten sie in diesem Moment alle das gleiche:
sie konzentrierten sich auf das massige Bauwerk. Hinter
mächtigen Mauerzinnen ragten brüchige Türme in den
düsteren Himmel. Das Tor hinter den wallenden Nebeln bestand aus
massiver Bronze und war ein Prunkportal mit erhabenen, riesigen
Figuren, die an mythische Fabelwesen erinnerten.
»Es ist da«, murmelte Carel Unstett. »Ob wir wollen
oder nicht.«
Was für eine Bedeutung hatte dieses burgähnliche Bauwerk
im Pandämonium? War es das Schloß eines
Dämonenherrschers? Wohnte ein Monstrum dort? Ein Magier?
»Wenn wir hier stehen, finden wir es nie heraus«, fuhr
Unstett unvermittelt fort. »Wartet hier auf mich! Ich seh’
mal nach dem rechten.«
Er setzte sich in Bewegung. Doch er kam nicht weit.
Eine Stimme sagte: »Tun Sie es nicht! Sie würden ein
Leben lang unglücklich sein. Denn: der sichere Tod erwartet Sie
dort.«
Wie auf Kommando hin warfen Carminia Brado, Lorette Massieu und
Carel Unstett ihre Köpfe herum, um den Sprecher zu sehen.
Gleißender Lichtschein fiel in ihre Augen.
*
»Du gehst aus«, wunderte Rani Mahay sich, als er
Björn Hellmark vor dem Spiegel stehen und letzte Hand an sich
legen sah.
Der blonde Mann trug einen Smoking, ein elegantes Hemd, an dessen
Knopfleiste ein weinroter Streifen
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